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Dienstag, 9. April 2019

Der 48. Tag: 9. April 2019

Satzung - Kühnhaide - Zöplitz

Landschaftlich war die Wanderung heute ein echter Höhepunkt. Vom Gasthof in Satzung bin ich kurz vor 9.00 h losgegangen und war schon eine viertel Stunde später auf dem Hirtstein, der höchsten Erhebung, die ich auf dieser April-Etappe wohl beschreiten werde. Aus alter Gewohnheit habe ich dort eine Gipfelrezitation gemacht.
Die erste Rezitation des Tages fand um 9.15 h statt (1x).

Dann ging es an den Abstieg auf der anderen Seite des Hirtsteins und bald danach durch ein weites Tal, in dem ein kleiner Fluss mäandert. Später führte der Weg durch ein ziemlich ausgedehntes Moor mit Fichten- und Kieferwäldern, Birkenhainen und offenen Moorflächen. Da hier im Erzgebirge der Winter noch nicht ganz zu Ende ist und ich noch an einigen Schneefeldern vorbei komme, gab es im Moor überhaupt keine Insekten. Ein Moor ohne Mücken ist gleich noch viel pittoresker.

 

Hinter Kühnhaide habe ich mich entschieden, vom WDE abzubiegen, denn die einzige erreichbare Unterkunft auf dem Weg war telefonisch nicht zu erreichen und mir war das Risiko zu groß, vor einem geschlossenen Gasthof zu stehen und dann stundenlang weiter laufen zu müssen. Da bin ich von der letzten Etappe im Spätsommer ein gebranntes Kind. Der Weg Richtung Pobershau ging über weite Strecken neben dem so genannten Grünen Graben entlang. Das ist ein kleiner Wasserkanal, der  durch den Wald führt. Mittlerweile habe ich erfahren, dass dieser Kanal schon im späten 17. Jahrhundert gebaut wurde und im Bergbau dazu diente, Wasser in einige Gruben zu bringen, wo es für den Antrieb von Wasserrädern und Pumpen benötigt wurde. Man spricht dann von Aufschlagwasser.

Der Grüne Graben ist acht Kilometer lang, die ich mehr oder weniger ganz abgelaufen bin - mit steigender Bewunderung für dieses heute sehr poetisch wirkende Bauwerk.
Bei allen landschaftlichen Besonderheiten auf der Wanderung gab es dennoch keine Orte oder Plätze, von denen ich mich für eine weitere Rezitation eingeladen gefühlt hätte. Deshalb habe ich die im letzten Jahr entstandene Gewohnheit wieder aufgenommen und ab und zu während des Gehens die Grundrechte rezitiert. Hängen geblieben bin ich an Artikel 15, zu dem ich gestern schon etwas notiert habe. Es bleibt bemerkenswert, dass dieser Artikel noch nie aktiv zum Einsatz kam in den 70 Jahren Geschichte des GG. Doch noch eine andere Sache hebt Artikel 15 aus den Grundrechten heraus. Alle anderen Grundrechte des GG beziehen sich entweder auf alle Menschen, auf alle Deutschen oder eine spezifische Bevölkerungsgruppe. Doch mit dem Recht auf Enteignung oder Verstaatlichung in Art.15 hat sich der Staat ein eigenes Grundrecht gesichert. Da könnte man die Frage stellen, ob der Staat überhaupt Grundrechte für sich beanspruchen darf. Das Recht auf Enteignung und Verstaatlichung ist dazu in Art. 15 nicht einmal an klare Bedingungen geknüpft, die eine Vergesellschaftung geboten erscheinen lassen. Nur die Vergesellschaftung als möglicher Zweck wird genannt.
Zugleich steckt in diesem Artikel 15 das Potenzial, auf dem Boden des GG eine viel weniger auf Privatwirtschaft basierende ökonomische Ordnung zu installieren. Wenn die politischen Mehrheiten es hergäben, könnte man zur Sicherung der Grundbedürfnisse der Menschen in Deutschland ein paar Industrien und Unternehmen vergesellschaften, die gegen die sichere Gewährung dieser Grundbedürfnisse agieren. Das Recht auf Wohnen wird verletzt, wenn die Wohnungsgesellschaften nur noch auf Rendite aus sind, statt primär ihren Mietern guten und bezahlbaren Wohnraum zur Verfügung zu stellen. Andere Beispiele wären die Wasserwirtschaft, die ja gerade droht, in private, und das heißt renditeorientierte Hände zu fallen, oder etwa die Energiewirtschaft.
Wenn "der Markt" es nicht richtet, wie es zur Zeit viel zu oft der Fall ist, eröffnet das GG sehr wohl die Option, es anders zu probieren. Aber es wundert mich nicht, dass dieser Art. 15 GG seit seiner Formulierung so vor sich hinschlummert.

Am Schluss wurde die Wanderung mal wieder länger als ich gehofft hatte, weil ich nicht richtig beurteilen konnte, wo ich am besten übernachte, um am nächsten Tag eine gute Ausgangslage für die dann anstehende Wanderung zu haben. Zuguterletzt bin ich - mit einer kleinen Klettereinlage - in Zöblitz gelandet. Das ist ziemlich weit weg vom WDE, aber von hier aus müsste ich gut nach Olbernhau kommen, wo ich wieder auf meinen Wanderweg stoßen sollte.
Zöblitz zeichnet sich durch zwei Dinge aus, einmal durch eine Silbermann-Orgel in der Kirche, die ich aber weder sehen noch hören konnte, und durch den so genannten Serpentin-Stein, der hier im Erdreich liegt und anscheinend noch immer abgebaut wird. Der Stein, den man an verschiedenen Stellen im Dorf sehen kann, erinnert mich an einen sehr glatten und dunklen Marmor. Sehr schön.

Doch es war ein anderer Stein, der mich veranlasste, eine Rezitation zu machen. Ganz unscheinbar neben einer Sitzbank steht dieser kleine Stein mit der Aufschrift:
Friede. 10. Mai 1871.
Nichts von siegreich, Helden oder Vaterland - nein einfach Friede. Das finde ich sehr sympathisch und so habe ich die
2. Rezitation um 15.50 h (1x) auf dem Zöblitzer zentralen Platz neben der Stadtbibliothek gemacht.
 

Resonanz gab es keine, aber trotzdem finde ich, dass die Menschen hier in der Gegend sehr freundlich sind. Viel grüßen mich, einige mit dem regionalen "Glück auf!"
Mit einer gewissen notwendigen Überzeugungsarbeit ist es mir gelungen, im Hotel des Orts ein Zimmer zu bekommen. Hier war an dem Tag ebenfalls (wie gestern) eine große Abendveranstaltung und niemand schien darauf vorbereitet zu sein, einen Gast über Nacht zu beherbergen. Aber dann ging alles gut.
Die Abendveranstaltung bestand in einem Besuch von Trainern und einigen Spielern von Erzgebirge Aue, einer Fußballmannschaft, die in der 2. Liga spielt. Sie haben sich den Fragen der Fans gestellt. Was man alles erleben kann....

Fundstücke:

 Steinfächer  (am Hirtstein)
 Dekoration im öffentlichen Raum 1-3:



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