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Sonntag, 10. September 2017

Der elfte Tag: 10. September 2017

Uckerath - Eitorf

Mit Bahn und Bus bin ich am Morgen nach Uckerath gefahren, wo ich auf eine kleine Gruppe von UnterstützerInnen getroffen bin - inklusive zweier Hunde,




die direkt die Frage nach den Tierrechten aufwarfen, die in den Grundrechten Art. 1 bis 19 nicht auftauchen. In Artikel 20a, der nicht mehr zu den Grundrechten gehört, gibt es seit noch gar nicht so langer Zeit ein "Staatsziel" Umwelt- und Tierrschutz:

"Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung durch die Gesetzgebung und nach Maßgabe von Gesetz und Recht durch die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung."

Der Artikel ist 1994 ins Grundgesetz aufgenommen worden, die drei Wörtchen "und die Tiere" allerdings erst 2002.
Ein Staatsziel hat für die staatlichen Organe zwar eine orientierende und insofern bindende Wirkung, aber es kann, anders als ein Grundrecht, nicht eingeklagt werden.

Jedenfalls habe ich um 12.00 Uhr eine zweifache Rezitation der Artikel 1-20 (ohne 20a) vor der Tür durchgeführt, die von der evangelischen Gemeinde auf der Kirchenwiese aufgestellt worden ist. Zum Anlass des 500. Jahrestags der Reformation soll die Tür einen Ort darstellen, an dem man seine eigenen Thesen "anschlagen"  - und sie  in einen daneben stehenden Briefkasten werfen kann.
Die Grundrechte als eine Art säkularer Thesenanschlag? Stoff zur Diskussion.





















In Uckerath gibt es im übrigen eine Legende, die man als warnenden Kommentar zu Art. 4 Abs.  2 "Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet:" lesen kann, nämlich die Geschichte vom Uckerather Kanzelmord:
"In Uckerath gibt es eine evangelische Kirche, die 1954 eingeweiht wurde. Es hat lange gedauert, bis die Reformation in Uckerath ankam. Das hat auch mit einem gewissen kämpferischen Katholizismus zu tun, der im 17. Jahrhundert mit dem Uckerather Kanzelmord seinen Höhepunkt nahm. Da sich der katholische Mönch zum Gottesdienst verspätete, bestieg ein protestantischer Wanderprediger aus Altenkirchen die Kanzel. Als der Mönch eintraf, zerrte er den Gegenredner mit Helfern von der Kanzel und erschlug ihn vor der Kirche mit einem Beil. Danach traten kaum noch Protestanten in Uckerath auf."

Jetzt sind sie wieder da und üben ihre Religion weitgehen ungestört aus, hoffe ich....

Nach der Rezitation ging es mit einem Teil der Gruppe wandernd hinunter zur Sieg nach Eitorf. Unter anderem haben wir über die Unterschiede zwischen der Verfassung der Weimarer Republik und dem GG gesprochen. In der Weimarer Verfassung standen die Grundrechte nicht an erster Stelle, sondern kamen erst im zweiten Hauptteil zur Sprache. Die Weimarer Verfassung beginnt mit den Worten "Das deutsche Volk" (Präambel) bzw. "Das deutsche Reich...", also ähnlich wie die amerikanische Verfassung mit dem berühmten "We, the people". So was ging in Deutschland nach den Schrecken der Naziherrschaft nicht mehr. Das Grundgesetz macht im ersten Artikel den Raum auf für alle Menschen, deren Würde unantastbar ist. Zu dieser universal geltenden Würde bekennt sich in Absatz 2 "das deutsche Volk". Das ist ein starkes Statement.

Ein anderes Gespräch handelte von dem Zusatz in Art.5 "Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung." Wir haben uns gefragt, ob der Satz von Beginn an im GG stand oder später hinzugefügt wurde. Das hört sich doch sehr nach Radikalenerlass und der Zeit in den siebziger Jahren an, als nicht wenige Lehrer etwa wegen einer Mitgliedschaft in der DKP ihren Beruf nicht mehr ausüben durften.
Die Vermutung war aber falsch. Der Zusatz in Art. 5 steht schon in der Version des GG von 1949.

Auf der Wanderung ein kurzer Moment des Erschreckens, als wir ein Schild sahen, dass uns von weiteren 18,7 km Strecke bis Eitorf erzählte. Durch Kartenkonsultation konnte zum Glück schnell aufgeklärt werden, dass wir einen anderen Weg gehen würden, der uns rechtzeitig zum nachmittäglichen Kaffee und Kuchen auf dem Marktplatz in Eitorf landen ließ.

Meine Suche nach einem geeigneten Ort für eine Rezitation in Eitorf war danach erfolglos. Falls jemand einen Vorschlag hat, wäre ich dafür sehr dankbar.

Mit der S-Bahn bin ich wieder zurück nach Köln, weil der Wetterbericht sehr glaubhaft starken Regen für morgen angesagt hat.
Nun warte ich auf Sonnenschein und gebe hier Bescheid, sobald es wieder losgeht.

Fundstücke:

Stroh zu schwarz-rot gold gemacht....:









angewandter Tierschutz:















Donnerstag, 7. September 2017

Fundstücke der Zwischenzeit

In einer Broschüre der Organisation proasyl gibt es zwei Anmerkungen zum Grundgesetz, die es mir wert erscheinen, notiert zu werden.
Auf einer Seite, die mit dem schönen Satz überschrieben ist:

"Flüchtlinge verteidigen unsere demokratische und offene Gesellschaft"

schreibt Karim Al Wasiti aus dem Irak: "Nur wenn die Rechte der Menschen verwirklicht werden, sind sie real. Ich möchte nicht, dass in Deutschland schutzsuchenden Menschen gegenüber eine Praxis existiert, die nicht mit unserem Grundgesetz übereinstimmt. Das Grundgesetz ist in meinen Augen fast eine Art Heiligtum, das unbedingt unversehrt bleiben muss."

Den ersten Satz würde ich so nicht ohne weiteres bestätigen. Es besteht zwar immer die Aufgabe, den Grundrechten des Grundgesetzes Geltung zu verschaffen, real sind die Rechte aber schon dadurch, dass sie im Grundgesetz stehen. Das Recht existiert unabhängig davon, ob es von irgendeiner Seite verletzt wird.
Im Hinblick auf die neunte und zehnte Etappe meiner Wanderung finde ich die Idee, das Grundgesetz als eine Art Heiligtum zu verstehen, sehr interessant. Meine vorläufige Vermutung ging dahin, dass man den Text der Grundrechte wie einen heiligen Text lesen kann, also als unverrückbare Grundlage, die aber einer dauernden Aktualisierung bedarf.

An einer anderen Stelle schreibt Karim Al Wasiti, der übrigens 1998 aus dem Irak geflüchtet und mittlerweile deutscher Staatsbürger ist und der Flüchtlinge berät, folgendes:

"Meiner Meinung nach müssen wir das Recht auf Familie gegen alle migrationspolitischen Einschränkungen unbedingt auch öffentlich verteidigen. Wir verteidigen damit generell die Gültigkeit der Grundrechte, unsere eigenen Standards. Es ist wichtig, dass die Menschen das Vertrauen in die Grundrechte und das Grundgesetz nicht verlieren."

Das ist ein sehr wichtiger Punkt. Al Wasiti bezieht sich auf Artikel 6 GG, wo es heißt: Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutz des Staates. Dieser besondere Schutz gilt aber nicht nur für deutsche Ehen, sondern eben auch für die Familien von Flüchtlingen, die in Deutschland gestrandet sind. Insofern stellt die Verweigerung der Familienzusammenführung, wie sie im Moment weitgehend praktiziert wird, eine Verletzung dieses Grundrechtes dar.

Ein anderes Fundstück: Der deutsch-türkische Autor Dogan Akhanli, der im Moment in Spanien festsitzt, weil die Türkei seine Auslieferung beantragt hat, hat in einem Interview kurz davon erzählt, wie es war, in Spanien festgenommen zu werden. Akhanli saß bereits mehrfach in türkischen Gefangnissen und wurde dort gefoltert, einmal sogar vor den Augen seiner Frau und seines Kindes. Die Erinnerung an diese Geschehnisse wurde für ihn so stark, dass er in der spanischen Zelle nichts essen und trinken konnte, weil es ihm so übel war. Er wußte zwar, wie er sagt, dass ihm in einem europäischen Gefängnis keine Folter droht, aber die Erinnerung konnte die alte Angst nicht vertreiben.
Art.2 GG: Jeder hat das Recht auf Leben und auf körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich.
Der Wert dieses Grundrechtes wird erst deutlich, wenn es gefährdet ist.