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Sonntag, 5. April 2020

Grundgesetz und Corona


Heute, Sonntag 5. April hätte eigentlich die Eröffnung meiner Ausstellung im Bohde-Fenster in Köln Nippes stattfinden sollen, bei der ich einen - im ganz neuen Sinne - Einblick in meine Grundgesetzwanderung und die begleitenden Aktionen und Produktionen geben wollte. Hätte hätte Fahrradkette!
 
Auch meine GG-Boxen, die ich kurz vor Corona fertig gestellt hatte, liegen im Keller und müssen wohl noch etwas warten, bevor sie ihre Patenschaften finden.

Dabei ist es in dieser außergewöhnlichen Zeit besonders wichtig, die Grundrechte des Grundgesetzes nicht aus den Augen zu verlieren. Was im Moment zu beobachten ist, scheint mir eine ganz besonders drastische Variation eines Phänomens zu sein, das im Prinzip zum Grundgesetz und seiner praktischen Umsetzung in der Gesellschaft durchgehend hinzu gehört. Einige Grundrechte werden zur Zeit in einem Maße eingeschränkt, das vor einigen Wochen in der Bundesrepublik noch unvorstellbar gewesen ist. In erster Linie handelt es sich dabei um die Versammlungsfreiheit aus Art. 8 GG („Jeder hat das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis, friedlich und ohne Waffen zu versammeln.“) und das Recht auf Freizügigkeit im ganzen Bundesgebiet aus Art. 11. Das sind Eingriffe, die am immer labilen Gerüst der Grundrechte stark rütteln und es ist klar, dass die Restriktionen so bald wie irgend möglich zurückgenommen werden müssen. Ich glaube, es ist wichtig im Blick zu behalten, dass die Einschränkungen erfolgt sind, um ein anderes Grundrecht zu wahren, und zwar eines, das ganz vorne in der Liste steht: Art.2 Abs 2 GG: Jeder hat das Recht auf Leben und auf körperliche Unversehrtheit. Das ist eines der wichtigsten Grundrechte überhaupt, auf dem viele andere erst aufbauen können – z.B. Art. 8 und Art. 11. Versammlungsfreiheit und Freizügigkeit dürfen keinesfalls das allgemeine Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit gefährden. Deshalb gibt es meines Erachtens gute Gründe für die momentane Einschränkung der Rechte aus dem GG.
(Man könnte auch denken, dass zur Zeit die freie Entfaltung der Persönlichkeit aus Art. 2 GG ungewöhnlich starkt eingeschrönkt sei. Da ist zwar was dran, zugleich zeigen die vielen kreativen Formen, mit dieser Situation umzugehen, dass es so einfach nicht ist.)

Die Grundrechte des GG sind nicht so formuliert, dass es möglich wäre, alle Grundrechte zugleich im höchstem Maße zu gewähren. Das politische Spiel ist zu einem großen Teil das Abwägen zwischen verschiedenen Grundrechten, und Ziel sollte dabei sein, eine für alle Menschen/Bürger*innen akzeptable Balance zwischen den Rechten zu finden. Das gelingt selten perfekt und die Entscheidungen, die damit verbunden sind, haben manchmal schwerwiegende Folgen. Das können wir gerade beobachten -
und vielleicht mal wieder das GG rausnehmen und die Grundrechte lesen. Oder sie sich vorlesen/rezitieren lassen, bald auch wieder von mir, wenn die Versammlungsfreiheit wieder hergestellt ist!