Heute, Sonntag 5.
April hätte eigentlich die Eröffnung meiner Ausstellung im Bohde-Fenster in Köln
Nippes stattfinden sollen, bei der ich einen - im ganz neuen Sinne - Einblick
in meine Grundgesetzwanderung und die begleitenden Aktionen und Produktionen
geben wollte. Hätte hätte Fahrradkette!
Auch meine GG-Boxen,
die ich kurz vor Corona fertig gestellt hatte, liegen im Keller und müssen wohl
noch etwas warten, bevor sie ihre Patenschaften finden.
Dabei ist es in
dieser außergewöhnlichen Zeit besonders wichtig, die Grundrechte des
Grundgesetzes nicht aus den Augen zu verlieren. Was im Moment zu beobachten
ist, scheint mir eine ganz besonders drastische Variation eines Phänomens zu
sein, das im Prinzip zum Grundgesetz und seiner praktischen Umsetzung in der
Gesellschaft durchgehend hinzu gehört. Einige Grundrechte werden zur Zeit in
einem Maße eingeschränkt, das vor einigen Wochen in der Bundesrepublik noch
unvorstellbar gewesen ist. In erster Linie handelt es sich dabei um die
Versammlungsfreiheit aus Art. 8 GG („Jeder hat das Recht, sich ohne Anmeldung
oder Erlaubnis, friedlich und ohne Waffen zu versammeln.“) und das Recht auf
Freizügigkeit im ganzen Bundesgebiet aus Art. 11. Das sind Eingriffe, die am
immer labilen Gerüst der Grundrechte stark rütteln und es ist klar, dass die
Restriktionen so bald wie irgend möglich zurückgenommen werden müssen. Ich
glaube, es ist wichtig im Blick zu behalten, dass die Einschränkungen erfolgt
sind, um ein anderes Grundrecht zu wahren, und zwar eines, das ganz vorne in
der Liste steht: Art.2 Abs 2 GG: Jeder hat das Recht auf Leben und auf
körperliche Unversehrtheit. Das ist eines der wichtigsten Grundrechte
überhaupt, auf dem viele andere erst aufbauen können – z.B. Art. 8 und Art. 11.
Versammlungsfreiheit und Freizügigkeit dürfen keinesfalls das allgemeine Recht
auf Leben und körperliche Unversehrtheit gefährden. Deshalb gibt es meines
Erachtens gute Gründe für die momentane Einschränkung der Rechte aus dem GG.
(Man könnte auch
denken, dass zur Zeit die freie Entfaltung der Persönlichkeit aus Art. 2 GG
ungewöhnlich starkt eingeschrönkt sei. Da ist zwar was dran, zugleich zeigen
die vielen kreativen Formen, mit dieser Situation umzugehen, dass es so einfach
nicht ist.)
Die Grundrechte des
GG sind nicht so formuliert, dass es möglich wäre, alle Grundrechte zugleich im höchstem Maße zu gewähren.
Das politische Spiel ist zu einem großen Teil das Abwägen zwischen
verschiedenen Grundrechten, und Ziel sollte dabei sein, eine für alle
Menschen/Bürger*innen akzeptable Balance zwischen den Rechten zu finden. Das
gelingt selten perfekt und die Entscheidungen, die damit verbunden sind, haben
manchmal schwerwiegende Folgen. Das können wir gerade beobachten -
und vielleicht mal
wieder das GG rausnehmen und die Grundrechte lesen. Oder sie sich vorlesen/rezitieren
lassen, bald auch wieder von mir, wenn die Versammlungsfreiheit wieder
hergestellt ist!