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Donnerstag, 25. Juli 2019

Performance und Lesung

Die Grundgesetzwanderung, die ich Ende Mai abgeschlossen habe, zeitigt ein paar Nachwirkungen.
Über das Interview in der Frankfurter Rundschau habe ich ja schon einen Blogeintrag geschrieben.

Am Donnerstag, 25. und Freitag, 26. Juli hatte ich die Gelegenheit, meine Grundgesetzwanderung mit zwei Aktionen in der Galerie Koppelmann in Köln-Nippes in der Baudristraße vorzustellen. Dort war gleichzeitig eine sehr schöne Fotoausstellung von Karin Richert zum Grundgesetzartikel 1 zu sehen und meine Aktionen waren Teil der Finissage.

Am Donnerstag, dem heißesten Tag des Sommers (!), habe ich die Grundgesetzperformance gemacht, die ich in den beiden Winterpausen der Wanderung bereits in Köln ein paar Mal durchgeführt hatte.

Im Aufbau der Performance gab es diesmal einen Unterschied zu den vorhergenden Versionen. Zwar habe ich wie üblich mit Art. 1. begonnen, aber danach mit numerierten Karten (I-Ging) die nächsten Artikel des GG gezogen. Diese Artikel wurden dann von mir auf die Folien geschrieben, die im Innenhof der Galerie hingen.
Danach habe ich wie immer den einen Begriff gewählt, der für mich gerade dein Gedanken dieses Artikels ausdrückt, ihn auf die auf dem Boden liegende Folie geschrieben, sie mir um den Rücken gehängt und bin dann jeweils ca. 15 Minuten mit freier Stimme in den Kontakt zu dem Thema gegangen.
Die Artikel waren:

Art. 14 (Allgemeinwohl)
Art. 19 (Grundrechte)
Art. 17 (Bitte)
Art. 15 (Gemeineigentum)


Stimmlich hat diese Veränderung des Aufbaus zu ganz neuen Klängen geführt. Es hat manchmal eine Weile gedauert, bis meine Stimme wusste, wie sie das Thema aufnehmen sollte. Das waren ganz interessante Momente.
Bei Art. 1 habe ich den Kontakt zu den Fotos von Karin Richert gesucht, auf denen Menschen verschiedenen Alters ein Schild vor sich halten, auf dem der erste Satz von Art. 1 (Die Würde des Menschen ist unantastbar) stand. Die verschiedenen Gesichter haben tatsächlich zu ganz unterschiedlichen stimmlichen Aktionen angeregt. 


Das Allgemeinwohl in Art. 14 wollte lange stimmlich nicht durchkommen. Es steckte fest. Zu viel Ego-Zentrik. Nicht nur in mir, sondern irgendwie in meiner Wahrnehmung der Welt in dem Moment. Bei dem Artikel (Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.) besteht ja die Gefahr, dass man den Satz auf die anderen münzt, die SUV- und Kreuzfahrer. Aber mich verpflichtet mein Eigentum auch. Gar nicht so leicht an eine entsprechende innere Haltung ranzukommen.
Die Grundrechte in Art. 19 haben meine Stimme in die Tiefe geführt, zur Grundlage, zum Fundament. Ein paar für mich überraschende Klänge traten da zutage.
Art. 17 behandelt das Petitionsrecht und ich hatte genau diesen Begriff schon auf dem Schirm, während ich den Text im Hof auf die Folien schrieb. Aber dann hat sich die "Bitte" in den Vordergrund gedrängt. Die habe ich stimmlich gesucht. Das Ergebnis war zu Beginn freundlich, bestimmt, dann fragil. Zum Schluss tauchte die Bitte nach Brot auf, was mit ein paar Fotos in der Ausstellung zu tun hatte, die Hände mit Brot zeigen.
Art. 15 behandelt die Idee des Gemeineigentums. Das war schwer. Der Weg führte dann über Multiphonics. gemeinsame Klänge meiner verschiedenen Stimmen.

Im ganzen haben sich die Schwerpunkte dieser Performance im Vergleich zu den früheren Aufführungen etwas verschoben. Die Rezitation wurde weniger stark und die Zeiten der freien Stimmbewegung rückten mehr ins Zentrum. Warum auch nicht? Das Rituelle der Performance war ebenfalls sehr präsent. Vielleicht noch verstärkt dadurch, dass ich gemeinsam mit den Gästen immer wieder in den Hof und zurück in den Raum gegangen bin. Die gemeinsame Bewegung hat die Atmosphäre mitbestimmt.





Am nächsten Tag, Freitag, 26.7., habe ich die GG-Wanderung vorgestellt, inklusive Rezitation und einer Lesung aus dem Wander-Blog und einem guten Gespräch mit einigen Gästen.

Vielen Dank an die Galerie Koppelmann für zwei intensive Tage mit dem Grundgesetz!!! (und für die Fotos!)

Dienstag, 9. Juli 2019

Das Interview in der Frankfurter Rundschau

Am 8. Juli 2019 ist in der Frankfurter Rundschau ein Interview mit mir erschienen, in dem es unter dem Thema Grenzerfahrungen um meine Grundgesetzwanderung geht.

Den Text des Interviews können Sie/kannst du unter dem folgenden Link finden:

 FR.de/zumir

Es handelt sich um einen pdf-Link, d.h. man landet nicht auf der Website der FR.

Falls es damit irgendwelche Schwierigkeiten gibt, schicke ich das pdf auch gerne per E-Mail zu.

Ich freue mich auf Kommentare zu dem Interview!



Sie können  das Interview auch hier lesen, allerdings ohne die ganz schöne grafische Aufarbeitung des Zeitungsartikels. Die Fragen stellte der FR-Redakteur Stephan Hebel:



Herr Peters, Sie haben sich für den „Wanderweg zur deutschen Einheit“ entschieden. War die Überwindung der innerdeutschen Grenze vor 30 Jahren Ihr wichtigstes Thema?
Nein. Als ich die ehemalige Grenze während der Wanderung zum ersten Mal übertreten habe, habe ich es gar nicht gemerkt. In meiner Erfahrung war diese Grenze viel weniger wichtig, als ich gedacht hätte.
Inwiefern?
Die Art und Weise, in der die Leute auf mich und meine Wanderung reagiert haben, war sowohl im Westen als auch im Osten gleich verteilt. Ich habe auf beiden Seiten alle Spielarten von Reaktionen erfahren.
Unterscheiden sich diese Reaktionen entlang anderer Grenzen – landsmannschaftlich, sozial, geschlechtlich?
Schwierige Frage. Wahrscheinlich habe ich mehr Frauen als Männer getroffen, die neugierig reagiert haben. Wahrscheinlich haben Frauen einfach mehr Mut, sind auch neugieriger.  Manchmal ist eine Frau bei meiner Rezitation stehengeblieben, während der Mann schon weitergegangen war und „Jetzt komm schon“ rief.
In Ihrem Blog sprechen Sie von regionalen Unterschieden im Sozialverhalten. Was meinen Sie damit?
Zum ersten Mal habe ich das ganz deutlich in Thüringen gemerkt. Dort gibt es doch sehr viel Zurückhaltung, wenn es um Menschen geht, die normalerweise nicht dort sind. Zumindest nach meiner Erfahrung ist das so. Ich kenne es allerdings auch aus der Eifel. Ich glaube, das hat mit bestimmten Landschaften zu tun. Im Rheinland, wo ich schon seit über 30 Jahren lebe, ist es viel leichter, Kontakt aufzunehmen. Ich bin dann von Thüringen durch Oberfranken ins Erzgebirge gelaufen, und auch dort war es wieder viel leichter.
Was hat das mit der Landschaft zu tun?
Meine erste Vermutung war, dass die Menschen in sehr ländlichen  Gebieten eher zurückhaltend sind. Aber so ein Gebiet ist das Erzgebirge auch, und die Menschen waren da so offen, wie ich es niemals vermutet hätte. Das könnte damit zu tun haben, dass es im Erzgebirge, wie der Name ja schon sagt, früher Bergbau gab. Vielleicht ist daraus eine andere Form von Kontakt zu Menschen entstanden, die zum Arbeiten in die Gegend kamen.
A propos Kontakt: Lassen Sie uns über die Grenze zwischen Ihnen und Ihren potenziellen Zuhörern reden. Hatten Sie das Gefühl, sie überwinden zu können, wenn Sie sich auf einen Marktplatz stellten und die Grundrechte rezitierten? Und war das überhaupt Ihr Ziel?
Nicht das Hauptziel, ich war nicht als Missionar in Sachen Grundgesetz unterwegs. Aber es ging mir schon auch darum, über die Rezitation in Kontakt mit Menschen zu kommen, zumindest die Grenze zwischen ihnen und mir etwas durchlässiger zu machen.
Ist das gelungen?
Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Ich habe bei der Rezitation immer zwei Plakate ausgelegt, auf denen kurz beschrieben war, was ich da mache. In den ersten Tagen hatte ich die relativ nah bei mir liegen. Aber dann wurde mir klar: Die Plakate liegen sozusagen noch in meinem Revier, da kommt keiner hinein. Es ist eine unsichtbare Grenze, die man nicht einfach so überschreitet. Dann habe ich die Infos sehr viel weiter weg von mir ausgelegt, damit die Menschen das Gefühl haben, erst einmal ungestört schauen zu können, was sich da abspielt. Und zwar bevor sie dann womöglich die Grenze überschreiten und mir näher kommen, um konzentriert zuzuhören.
Können Sie diese Distanz in Metern ausdrücken?
Auf jeden Fall sind es mehr als zwei oder drei Meter. Das hängt natürlich auch von der Örtlichkeit ab. Manchmal gab es eine kleine Erhöhung, vielleicht eine Treppenstufe, auf die ich mich stellte, das schafft auch Distanz. Aber im freien Gelände waren es eher fünf Meter.
Gilt das unabhängig von der Region, in der Sie sich gerade bewegten?
Ja, das lässt sich verallgemeinern. Aber es gab auch immer wieder Ausnahmen. Menschen, die diese Grenze ganz leicht überschritten und vielleicht gar nicht wahrgenommen haben. Da ist dann die Neugierde wohl größer als die Scheu, die solche Grenzen ja erst entstehen lässt.
Hat es nicht auch Sie gestört, wenn die Menschen Ihnen zu nahe gekommen sind?
Ja, das ist ein- oder zweimal passiert. Aber das waren Leute, die gar nicht mehr zugehört haben, sondern anfingen, selber etwas zu erzählen, während ich noch am Rezitieren war. So etwas wie „Aha, das Grundgesetz, ich hab da auch eine Geschichte zu erzählen“.
Das ist doch schön, oder?
Ja, ich wollte ja in Kontakt kommen. Aber ich musste mich halt darauf einlassen, die Rezitation erst mal aufzugeben.
Es haben Ihnen ja manchmal nur sehr wenige Menschen zugehört. Beim Lesen Ihres Blogs hatte ich manchmal den Eindruck, dass Sie sich selber gefragt haben, ob Sie darüber enttäuscht sein müssen oder nicht.
Ja, da habe ich zwischendurch schon mit mir gekämpft. Im Prinzip ging es mir nicht darum, eine besonders große Menge an Menschen zu erreichen. Ich hatte mir für die Performance ja Regeln gegeben, und dazu gehörte ganz zentral die Frage: Wie funktioniert der Kontakt zwischen mir und dem Text? Wie zeigen sich mir die Grundrechte, wenn ich sie immer wieder rezitiere?  Zweitens ging es um den Kontakt zu den Orten, durch die ich wandere, und das Wandern selbst. Und dann schließlich um den Kontakt zu den Menschen.
Die Zahl der Zuhörenden spielte also keine Rolle?
Nein. Es gab gar keinen Grund zu hoffen, es müssten ganz viele sein. Aber immer wieder irgendwo zu stehen, wo viele Leute vorbeilaufen und niemand anhält, um zuzuhören – das ist natürlich trotzdem eine herausfordernde Erfahrung, mit der ich schon zu kämpfen hatte.
Was haben diese Begegnungen mit dem Text, den Orten und den Menschen bei Ihnen bewirkt? Welche Grenzen haben Sie für sich selbst überwunden?
Mir hat sich Deutschland ganz neu erschlossen.  Ich musste dafür allerdings zunächst eine ganz andere Grenze überwinden: Ich wandere zwar gerne, lebe aber auch sehr gern in einer Großstadt. Die Wanderung hat mich fast nur durch das geführt, was man deutsche Provinz nennt, von größeren Städten wie Aachen am Anfang oder Görlitz am Ende abgesehen. Das war deshalb fast so etwas wie eine Grenzerfahrung, weil Kleinstadt eine Lebensform ist, die meiner Art nicht unbedingt entspricht. Andererseits ging es mir in der Performance ja nicht darum, meine eigene Lebensform bestätigt zu sehen. 
Sie haben in Ihrem Blog einmal geschrieben, das Ganze sei „keine politische Aktion“. An einem anderen Tag heißt es dann aber, das Wandern sei angenehm frei vom „spätkapitalistischen Druck von Effizienz und Erfolg“. Das ist ja nicht gerade unpolitisch.
Da haben Sie recht. Aber diese  Bemerkung stand gar nicht direkt mit den Rezitationen in Verbindung, sondern es ging nach meiner Erinnerung um diese Walking-Stöcke, die manche Leute benutzen und die das Wandern gleich viel effizienter aussehen lassen, als wenn man wie ich mit einem Holzstock durch die Gegend läuft.
Also doch unpolitisch?
Obwohl ich dem Text des Grundgesetzes sehr nahe stehe und ihn nicht ohne Grund ausgewählt habe, war für mich  wichtig, dass ich das Ganze nicht als politische Werbeaktion mache, sondern als Kunstaktion. Aber natürlich war es eine Kunstaktion im politischen Raum und mit politischem Material. Es war nicht so, dass die Grenze zwischen Kunst und Politik, wenn es die in der Form überhaupt gibt, ganz scharf gewesen wäre. Da gab es natürlich Übergänge, aber für mich war eben wichtig, dass ich von meinem Selbstverständnis her nicht auf direkte Resonanz setze und deshalb nicht enttäuscht sein muss, wenn sie mal ausbleibt.
Was haben Sie selbst über das Grundgesetz gelernt?
Ich habe es auf jeden Fall neu kennengelernt. Für mich war es vor allem eine sehr starke Erfahrung,  die Grundrechte, die ich rezitiert habe, mit den Erlebnissen und Begegnungen bei der Wanderung in Verbindung zu bringen. Mir ist dabei viel deutlicher geworden, wie sehr diese Grundrechte auch eine Grundlage darstellen für unsere Art des Zusammenlebens. Das war mir vorher vielleicht rational irgendwie klar. Aber ich habe es jetzt auf einer sehr viel tieferen Ebene erfahren, und das war sehr angenehm.
Sie haben also das Gefühl, dass Deutschland, so wie Sie es erwandert haben, gern auf dem Boden dieser Grundrechte lebt?
Wenn ich mich an die intensiven Gespräche erinnere, die ich hatte, würde ich sagen: Ja. Da gibt es, wiederum unabhängig von Ost oder West, sehr viel Wertschätzung, auch bei Menschen, die das Grundgesetz wahrscheinlich nie ganz gelesen oder gar – wie ich – zumindest teilweise auswendig gelernt haben. Es ist so etwas wie eine Idee von „Darauf können wir uns verlassen“ zu spüren.
Und das in diesen Zeiten?
Sicher leben wir in einer Zeit, in der diese Idee nicht mehr für alle gilt, vielleicht zum ersten Mal in der Bundesrepublik. Aber mit solchen Menschen bin ich nicht ins Gespräch gekommen.
Wenn Sie nicht gerade wandern, arbeiten Sie unter anderem als Stimmkünstler, Sie erwähnen dabei den Begriff „extended voice“. Auch das klingt nach Grenzüberschreitung.
Ja. Es geht darum, dass Stimmkünstler alle Möglichkeiten künstlerisch einzusetzen, die die menschliche Stimme bietet. Also nicht nur das, was man Sprechen oder Gesang nennen würde.
Also so etwas wie die Falsett-Stimme?
Mit Falsett kann man sehr schön singen!  Ich meine eher sehr raue Klänge, sehr laute oder sehr leise Töne, Klänge, die sehr nah am Atem sind. Das habe ich bei der Rezitation der Grundrechte nicht eingesetzt. Aber ich habe in den beiden Wintern zwischen den Etappen eine dreistündige Performance gemacht, in der es vorkam. Das ist ein wichtiger Teil meiner künstlerischen Arbeit. Aber ich arbeite auch viel mit gesprochenem Text, unter anderem als Rundfunksprecher oder mit Lesungen und Rezitationen.
Was macht das so attraktiv für Sie?
Der Zusammenhang zwischen der Bedeutung und der Wirkung eines Textes, der im Raum laut zu hören ist, hat mich schon immer interessiert. Das hat übrigens auch etwas mit Grenzüberschreitung zu tun: Als Zuhörender mache ich eine ganz andere Erfahrung, als wenn ich den Text lese: eine andere Zeiterfahrung, andere innere Bilder, die sich möglicherweise auftun.
Auch je nachdem, wie er vorgetragen wird?
Natürlich hat es auch mit der Stimme zu tun. Höre ich ihr gerne zu oder nicht? Das ist geradezu entscheidend. Interessant übrigens: Wir machen es ja hier gerade umgekehrt, das gesprochene Wort wird zum Text. Ich bin mal sehr gespannt, wie das dann aussieht.
Nun sind Sie freischaffend tätig. Stößt man da bei 63 Wandertagen mit Anreisen, Übernachtungen und so weiter nicht auch an eine ganz andere Grenze, nämlich die finanzielle?
Ja, klar. Ich habe mich bewusst entschieden, für diese Aktion kein Fördergeld zu beantragen, anders als bei anderen Projekten. Sonst wäre die Grundgesetz-Wanderung sofort in einem ganz anderen Kontext verstanden worden. Ich habe aber zu kleinen Spendenaktionen aufgerufen und hier und da auch Bücher und CDs von mir verkauft. Damit habe ich eine gewisse Unterstützung bekommen.



   




Dienstag, 28. Mai 2019

DANKE!!!

Die Grundgesetzwanderung ist zu Ende.
Es wird Zeit, DANKE zu sagen!

DANKE an alle, die mit mir gewandert sind!
DANKE an alle, die mich finanziell unterstützt haben!
Das Geld hat mir nicht nur konkret sehr geholfen, sondern war ein starkes Symbol dafür, dass die GG-Wanderung für viele Freunde und Bekannte ein sinnvolles Projekt gewesen ist.
DANKE an alle, die die Wanderung auf dem Blog mitverfolgt haben und vielleicht noch im Nachhinein verfolgen!
DANKE an alle, die mit mir über die GG-Wanderung gesprochen haben und die mir geschrieben haben!
DANKE an alle, die mit anderen über die Wanderung gesprochen haben und die für die Aktion geworben haben!
DANKE an alle, die Informationen an Presseorgane und Institutionen geschickt haben!
DANKE an alle, die mir bei der Umsetzung geholfen haben (Danke Karin für die Karte!)!
DANKE an alle, die mir bei den Begleitaktionen geholfen haben!

Weitere Folgen, Resultate und Nachwirkungen der GG-Wanderung werde ich womöglich hier im Blog, der ja im Netz bleibt, notieren. Ich bin gespannt, wie die Spät- und Fernwirkungen der Wanderperformance sich gestalten.
Für mich geht jedenfalls eine gut zweijährige sehr intensive Phase zu Ende und ich muss jetzt erstmal sacken lassen...

Samstag, 25. Mai 2019

Der 63. Tag: 23. Mai 2019

Görlitz

Am Morgen bin ich zum MDR-Studio gegangen, um das Interview für die WDR5-Sendung "Neugier genügt" zu machen. Die ganze Geschichte, die sich da ereignet hat, gehört nicht zum Thema dieses Blogs. Kurz gesagt gab es verschiedene Schwierigkeiten, aber ich habe nach meiner Einschätzung ein paar Dinge sagen können, die mir wichtig sind. Man kann das Interview auf WDR5 nachhören:
https://www1.wdr.de/mediathek/audio/wdr5/wdr5-neugier-genuegt-freiflaeche/audio-grundgesetz-wanderungen-100.html.

Auch die Redakteurin im MDR-Studio hat noch ein Interview mit mir gemacht. Ich weiß aber nicht, ob davon etwas gesendet worden ist.
Wenn man in einer solchen Sendung auftritt, wird man ganz automatisch zum Beitragsmaterial, das dem legitimen Zweck dient, eine interessante Sendung zu machen. Aber dem Charakter der GG-Wanderung werden solche Ausflüge in die Medien nicht gerecht. Jedenfalls habe ich mich damit nicht sehr wohl gefühlt, obwohl es natürlich schön ist, dass über diesen Weg vergleichsweise viele Menschen von der Wanderperformance erfahren haben.

Danach bin ich zur Brücke an der Neiße gegangen, habe mit den FreundInnen einen Kaffee getrunken und dann um 11.30 Uhr
die erste Rezitation des Tages (3x) gemacht.


Das war für mich der offizielle Abschluss der Grundgesetzwanderung.
Es kam noch einmal zu den verschiedenen Reaktionen von Neugierde und Zuhören bis zu Scheu, Abwehr und Ignoranz, die mich während der zwei Jahre durchgehend begleitet haben.
Das Ende war dann kein Knall, sondern ein langsames, sanftes Ausklingen. Das fand ich sehr passend.










Am Abend hatte unser Gastgeber in der Alte Ofenfabrik in Görlitz ein paar Freunde und Bekannte eingeladen, und ich habe im kleinen Kreise von knapp 20 Gästen von meiner GG-Wanderung erzählt.
Anhand des Plakates, das ich bei den Rezitationen vor mir liegen hatte, konnte ich erläutern, was ich mit der Wanderung im Sinn hatte.


Dann habe ich noch eine Rezitation (1x) durchgeführt, auf die eine ziemlich lange und angeregte Diskussion folgte. Ich will nur einen Punkt herausgreifen: Natürlich kam die Frage auf, ob es in den Reaktionen der Menschen, die mir begegnet sind, einen Unterschied zwischen Ost und West gegeben hat. In meiner Erfahrung war dieser Unterschied viel kleiner als ich ihn erwartet hatte. Ich habe mit einigen Leuten darüber gesprochen, dass den neuen Bundesländern das GG übergestülpt wurde, statt wie es eigentlich gedacht war, mit der Wiedervereinigung auch eine gemeinsame Verfassung zu formulieren - auf der Grundlage des GG. Aber meistens wurde das Thema von mir angesprochen. Ansonsten war die Verteilung der verschiedenen Reaktionen auf die Rezitation oder auf mein Erzählen von der GG-Wanderung in allen Regionen mehr oder weniger gleich. Einen Unterschied zwischen Ost und West hat es nicht gegeben. Sollte die Gleichheit der Lebensumstände in neuen und alten Bundesländern schon weiter sein, als es in der politischen Debatte manchmal scheint?

Am Schluss des Abends habe ich zwei Einträge aus diesem Blog vorgelesen. Das hat überraschend gut funktioniert und wer weiß, vielleicht folgt auf die GG-Wanderung ein Phase mit Lesungen aus diesem Konvolut......


Fundstücke:

                                                                                                       wunderbare Brotvermehrung?




















Art. 3: Männer und Frauen sind gleichberechtigt(?)

Mittwoch, 22. Mai 2019

Der 62. Tag: 22. Mai 2019

Jauernick - Görlitz

Beim Frühstück im St. Wenzelslaus Stift habe ich eine Mitarbeiterin des Hauses auf das Exemplar des Grundgesetzes im Zimmer angesprochen. Wegen des 70. Jahrestages ist es in alle Zimmer des Hauses gelegt worden. Das fand ich natürlich großartig und habe ihr von der GG-Wanderung erzählt. Sie hat direkt den Leiter des Bildungszentrums gerufen, der an dem Thema sehr interessiert ist und am 23. Mai eine Veranstaltung zum GG mit Kirchenvertretern durchführt. Der Leiter war von der GG-Wanderung sehr angetan und hatte die Idee, mich in seine Veranstaltung zu integrieren. Aber ich bin schon anderweitig verplant.
Wir hatten ein sehr intensives und anregendes Gespräch über verschiedene Aspekte des GG. Es ging z. B. um das Christentum als Quelle für einige wichtige Grundrechte, wie die Würde aus Artikel 1 und die Gleichheit aller Menschen in Artikel 3, um die Fehlentwicklungen des Neoliberalismus und die Frage, welche echten gesellschaftspolitischen Probleme den fehlgeleiteten rechtspopulistischen Tendenzen zugrunde liegen. Inwieweit geht es da um schwindende Gerechtigkeit, um angegriffene Würde oder um den Versuch, Zugehörigkeit und Identität zu finden? Wieso funktioniert das mit den Gewerkschaften nicht mehr gut? Oder mit den Kirchen, könnte man hinzufügen. Oder mit der Partei der Linken?
Es gibt viel zu besprechen. Mir ist in dem Gespräch nochmal deutlich geworden, dass das Unbehagen an der neoliberalen Kultur längst die sogenannte Mitte der Gesellschaft erreicht hat. Bis hin zur ethischen Infragestellung von Aktienbesitz, der nur den Renditen, aber nicht dem Allgemeinwohl dient, werden die Strukturen dieser Welt, die aufs falsche Pferd des fast ungezügelten Kapitalismus setzt - statt auf die Werte des GG - von Teilen der gesellschaftlichen Mitte kritisiert und angeprangert.
Ein weiterer Punkt in dem Gespräch war die allgemeine Entwertung der Provinz und ihrer Lebensformen in der öffentlichen Wahrnehmung und medialen Präsenz. Da bin ich selbst nicht ganz frei von Ressentiments. Ich genieße das großstädtische Leben mit seinen Freiheiten, aber durch die GG-Wanderung habe ich eine Ahnung davon bekommen, wieviel Provinz es in Deutschland gibt und wieviele Menschen in der Provinz leben. In der Wahrnehmung dieser wenig repräsentierten "Mehrheit" gibt es in Politik, Öffentlichkeit und Kultur sicher Korrekturbedarf.

Nach dem guten Gespräch habe ich mich entschieden, um 9.40 Uhr
die erste Rezitation des Tages im Hof des Wenzelslaus-Stifts zu machen.

Danach ging es durch Regen und Wind weiter in Richtung Görlitz, zu Beginn durch einen sehr schönen Buchenwald, später übers freie Feld, das wir mit durchnässter linker Seite (Windrichtung!) wieder verließen.
Von der Landeskrone, dem Hausberg von Görlitz haben wir nicht viel gesehen. Er war im Nebel versunken.
Schon in den Randbezirken der Stadt sind wir auf weitere"Verstärkung" aus Köln getroffen. Karin L., Freundin und Mitglied von unserem Ensemble KörperSchafftKlang kam uns mit ihrer Schwester entgegen, um uns auf den letzten Kilometern zu begleiten.

Der Weg führte uns an einem großen jüdischen Friedhof vorbei, wo wir eine neue Gedenkstätte aus dem Jahr 2015 fanden, mit der der Juden gedacht wird, die im nahegelegenen KZ Biesnitz 1945 ermordet wurden. Die Skulptur aus Eisen ist in ihrer Zurückhaltung sehr beeindruckend. Links am Wegesrand liegt eine Schiene am Boden mit Text in hebräisch und deutsch. Rechts sieht man eine Reihe von Stelen und die Inschriften der Namen der Ermordeten, soweit sie bekannt sind.

Das war kein Ort für eine Rezitation, die Gedenkstätte und der Friedhof verlangen Schweigen.

Ein sportlich gekleidetes Paar fragte mich/uns, ob wir auf dem Jakobsweg pilgern und ich sagte, dass unsere Pilgertour über den WDE von Aachen nach Görlitz geführt hat. Die GG-Wanderung fanden beide interessant, den Mann beschäftigte die Frage, warum der Wanderweg der Deutschen Einheit gerade in Aachen beginnt.





In der Nähe des Bahnhofs habe wir eine Rast eingelegt und uns mit Kaffee und erstaunlich gutem Kuchen für das letzte Stück des Weges gestärkt.


Auf den letzten Metern zur Brücke über die Neiße, wo der WDE beginnt bzw. in meinem Fall endet, war ich innerlich doch ziemlich bewegt. Hier geht eine Aktion zu Ende, die mich gut zwei Jahre lang beschäftigt hat und die nicht nur während der Wanderung, sondern auch in den Zwischenzeiten prägend auf mein Leben wirkte.
Die GG-Wanderung ist jetzt so gut wie abgeschlossen. Das ist für mich eine große Sache. Was das genau bedeutet, wird sich erst im Abstand zeigen.
Jedenfalls habe ich um 13.30 Uhr die zweite Rezitation des Tages (1x) gemacht.

Ein emotionaler Moment.
Danach habe ich meine Begleitgruppe zu einem Glas Sekt eingeladen. Das Café, in das wir gegangen sind, hatte nur Prosecco und so kam zuguterletzt noch einmal die europäische Perspektive mit ins Spiel.
Danach ging es in die schöne Alte Ofenfabrik, wo wir zwei Ferienwohnungen gemietet haben, und wo morgen eine kleine Abschlussveranstaltung stattfinden wird.





Fundstücke:

Dienstag, 21. Mai 2019

Der 61. Tag: 21. Mai 2019

Löbauer Berg - Rotstein - Friedersdorf - Jauernick

Für die vorletzte Etappe hatten wir uns vorgenommen, eine etwas längere Strecke zu wandern, um morgen entspannt und nicht zu spät in Görlitz ankommen zu können. Der erste Teil des Plans hat funktioniert. Wir sind ca. 23 Kilometer gegangen, was bei dem sonnigen und schwülen Wetter  schweißtreibend war.
Wir sind vom Löbauer Berg hinabgestiegen, ein Stück durch Feld und Dorf gegangen und dann den sehr steilen Berg zum Rotstein hochgestiefelt. Zuerst schien es, als hätten wir das Glück auf unserer Seite und wir würden im Berghotel einen Kaffee bekommen. Doch nach knapp einer halben Stunde Wartens - mit einem Glas Leitungswasser - stellte sich heraus, dass die offenbar hochkomplexe Kaffeemaschine nicht so einfach anzuwerfen ist.
Auf dem ganzen Weg heute ist mir keine Stelle begegnet, die nach einer Rezitation gerufen hätte. Zwischendurch habe ich wandernd für mich eine Rezitation eingeschoben. Für daraus resultierende Assoziationen und Überlegungen fehlte mir da offenbar schon die geistige Frische, die unter der Sonneneinstrahlung und den zu bewältigenden Steigungen merklich gelitten hatte. Auf der Wanderkarte hatte ich vorher gesehen, dass es in Friedersdorf eine Kirche mit Namen St. Ursula gibt und ich hatte die Option innerlich notiert, dort eine Rezitation zu machen. Ursula ist bekanntlich eine der Stadtheiligen von Köln und eine Rezitation vor der Kirche mit dem selben Namen schien mir eine Möglichkeit, eine Verbindung herzustellen zwischen der Gegend hier, am Ende der GG-Wanderung und dem Rheinland, wo ich mehr oder weniger losgewandert bin und außerdem wohne.
In Friedersdorf haben wir den Umweg zur Kirche St. Ursula eingelegt. An der Straße fanden wir eine Friedenseiche von 1871, die allerdings von direkt zwei Gedenksteinen, u.a. für die "glorreichen Helden" umzingelt ist. An der Friedenseiche hätte ich mir eine Rezitation vorstellen können, aber in der Nähe von glorreichen Helden fühle ich mich fehl am Platz.
Die Kirche war geschlossen. Wir haben uns einen Platz mit einem Wiesenstück an der Kirchenwand ausgesucht, aber ich kann nicht sagen, dass ich mich sonderlich wohl gefühlt hätte mit der
ersten Rezitation des Tages (1x), die um 15 h stattfand.

Irgendwo hatten wir gelesen, dass es in dem Ort ein Gasthaus gibt, gefunden haben wir eine Art Kiosk mit kleinem Dorfladen, wo Kaffee und regional hergestelltes Eis auf uns warteten. Sehr wohltuend!

So gestärkt haben wir uns aufgemacht, auch noch die letzte Teilstrecke des Tages zu wandern und um ungefähr 17 h kamen wir im St. Wenzelslaus Stift in Jauernick an. Irgendwie gefällt es mir gut, dass wir die letzte Nacht, bevor wir den Endpunkt der GG-Wanderung erreichen, in einem religiös konnotierten Haus verbringen. Die erste Nacht nach dem Start der GG-Wanderung in Aachen habe ich in einem Kloster in Kornelimünster übernachtet. Es schließt sich also gewissermaßen ein Kreis und auf diese Weise wird der Pilgercharakter der GG-Wanderung, von dem ich an anderer Stelle kurz gesprochen habe, betont.

Die schönste Überraschung aber bestand heute darin, dass auf dem Tisch in unserem Zimmer eine Ausgabe des GG lag!
Das ist mir auf der ganzen Wanderung nicht passiert. Sollte ich etwa nur der Hase sein, der mit dem GG durch Deutschland läuft und der Igel ist immer schon da, mit dem Grundgesetz unter dem Arm? Das wäre eine sehr schöne wanderungsabschließende Erkenntnis.















Fundstücke:

Wandsprüche am Wegesrand:
(Toskanafraktion?)

















Tanks am Wegesrand:

Der 60. Tag: 20. Mai 2019

Cosul - Czorneboh - Löbauer Berg

Am Morgen haben wir uns bei noch einigermaßen angenehmen Wetter auf den Weg gemacht, der größtenteils durch den Wald führte. Im Teilstück kurz vor Czorneboh - das übrigens "Schwarzer Gott" auf sorbisch heißt - gab es einige im wörtlichen Sinne herausragende Steinformationen. Ein paar dieser Steine hatten eigene Namen, wie Opferbecken oder Teufelsfenster. In der Gegend gibt es auffällig viele Stellen, die mit dem Teufel verbunden werden. Vermutlich handelt es sich um Plätze, die schon in vorchristlichen Zeiten eine religiöse oder kultische Bedeutung hatten. 
Vor dem Teufelsfenster habe ich im 10.30 Uhr 
die erste Rezitation des Tages (1x) gemacht. 


Das war ein einsamer Ort und außer unserer Wandergruppe hat sich nur ein kleiner Vogel zu uns gesellt und von einem Baum aus direkt vor mir zugehört.
Das Teufelsfenster wird offenbar auch Fragefenster genannt und in einer Art Gipfelbuch wird man aufgefordert, eine solche Frage zu stellen. Unsere lautete: Wieso gibt es eigentlich gegen eine so vernünftige und kluge Einrichtung wie das GG Widerstände? Was bewegt Leute, diesen gemeinsamen Boden eines friedlichen und zivilisierten Zusammenlebens zu verlassen?

So fragend sind wir weitergezogen und haben in der Baude Czorneboh, die überraschenderweise schon geöffnet hatte, einen Kaffee getrunken. Dann ging es weiter den Berg wieder hinunter. Wir kamen an einer Schubertlinde vorbei, die vor knapp 20 Jahren vom Schubertchor in Bautzen gepflanzt worden ist. Dann an einer Plakette, die in einem runden Steinkreis hing und von einem Vatertags-Ausflugsgrüppchen dort angebracht wurde und offenbar jährlich poliert wird. Und dann fanden wir einen Gedenkstein für Jakob Böhme, den Görlitzer Schuster und Philosophen, der für den deutschen Idealismus eine wichtige Quelle darstellte - für Hegel, Herder und, wie es auf der Plakette heißt: Schilling.
Wieso mitten im Wald dieser Gedenkstein steht, konnte ich nicht ermitteln, aber der Ort schien mir geeignet für die zweite Rezitation des Tages (1x), die um 12 Uhr stattfand.

Von dort aus ging es - mittlerweile in leichtem Dauerregen -  weiter auf den Hochstein, wo sich an den Felsen eine Stempelstelle für den WDE befand. Dieses eine Mal habe ich mir den Stempel abgeholt!
Der Regen wurde stärker, wir kamen vom Berg und aus dem Wald ins Tal und am ehemaligen Bahnhof von Kleindehsa haben wir in einer Regenpause unseren Proviant verspeist. 
Bis Löbau zog sich der Weg noch ziemlich hin, ein letzter schwerer Regen ärgerte uns, bevor wir im Zentrum des Städtchens, das einen sympathischen Eindruck auf uns machte, ankamen. In der Tourist Info haben wir mit Hilfe zweier Mitarbeiter in Sachen Übernachtung recherchiert und am Ende Zimmer auf dem Löbauer Berg gebucht. Ich habe eine Wanderkarte gekauft und eine Stofftasche mit dem schönen Spruch: Je weiter der Blick desto freier das Herz. 
Der Satz, mit dem die Stadt Löbau für sich wirbt, stammt vom Aussichtsturm auf dem Löbauer Berg, den wir nach einem sehr anstrengenden Auffstieg bestaunen konnten.
Der Turm besteht ganz aus Gusseisen und ist im Jahre 1854 auf Initiative eines Bäckermeisters errichtet worden. Ein beeindruckendes Bauwerk, auf dem ich, nachdem die 190 Stufen mit vorletzter Kraft erklommen waren,
die dritte Rezitation des Tages (1x) um 17.30 Uhr gemacht habe. 

Eine schöne und vielfältige Ausbeute an Rezitationen war das heute. Bei der ersten am Teufelsfenster habe ich übrigens keine Widerstände in der energetischen Situation des Ortes wahrgenommen, wie das manchmal schon der Fall gewesen ist. Es fiel mir zwar nicht ganz leicht, die Konzentration zu halten, aber das hatte mehr mit meiner inneren, noch etwas angespannten Situation kurz vor dem Finale der GG-Wanderung zu tun. 
Jakob Böhme ist nicht nur ein leuchtendes Beispiel für jemanden, der lange vor Kant den Mut besaß, sich seines eigenen Verstandes zu bedienen, sondern auch offen genug war, um die Möglichkeiten, die seine Persönlichkeit ihm bot, auszukundschaften und sie umzusetzen. Vom Schuster zum Philosophen und zurück führt kein ausgetretener Weg. Böhme hat schon im frühen 17. Jahrhundert gezeigt, was es heißt, die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit aus Artikel 2 GG ernsthaft zu betreiben. Und erfahren müssen, dass Freigeister von weniger freien Geistern gerne angefeindet werden. 
Der Bäckermeister aus Löbau, der Mitte des 19. Jahrhunderts den gusseisernen Turm ersann und die Idee auch in die Tat umsetzte, muss von ähnlichem Kaliber gewesen sein wie Jakob Böhme. Frei denkende und handelnde Handwerker. 
Je weiter der Blick, desto freier das Herz!

In der Gaststätte am Turm, in der wir übernachtet haben, gab es kein Internet. Der Blog musste warten. 

Während der Wanderung haben wir über verschiedene Aspekte des Grundgesetzes gesprochen. Das Grundgesetz kann heute nur verstanden und gedeutet werden, wenn man mitdenkt, dass es eingebunden ist in die Grundrechtscharta der Europäischen Union und die Bestimmungen der Vereinten Nationen. An beides ist die Bundesrepublik gebunden. In einigen Punkten gehen diese internationalen Verpflichtungen über das GG hinaus, so etwa bei den Kinderrechten, im Bereich Antidiskriminierung von Minderheiten oder auch beim Schutz von Flüchtlingen. Fragen, wie die, ob die Kinderrechte eigens in die Grundrechte des GG aufgenommen werden sollen, zeigen sich in dem Kontext neu, denn der Staat ist als Mitglied der Europäischen Union und der Vereinten Nationen eh dazu verpflichtet, die Rechte der Kinder zu schützen.
Aus meiner Sicht gibt es allgemein gesagt zwei Arten, das GG zu aktualisieren. Einerseits sind viele wichtige Formulierungen in den Grundrechten so gestaltet, dass sie neue Interpretationen erlauben, ohne den Text ändern zu müssen. Das gilt beispielsweise für Art. 6, in dem steht, dass Ehe und Familie unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung stehen, ohne dass die Verfasser des GG sich je hätten vorstellen können, dass es einmal gleichgeschlechtliche Ehen geben würde. Diese Offenheit für gesellschaftliche Veränderungen gehört zu den großen Stärken des GG. Außerdem werden ja relativ oft Artikel des GG geändert, ergänzt und manchmal sogar gestrichen. Letzteres kann allerdings den Grundrechten nicht passieren. Die Ergänzungen können helfen, ein Grundrecht zu konkretisieren und zu stärken, wie etwas die Gleichberechtigung von Männern und Frauen aus Art. 3, oder sie können ein Grundrecht auch verwässern, wie es mit Art. 16a geschehen ist. Ursprünglich stand da nur der Satz: "Politisch Verfolgte genießen Asylrecht". Seit den neunziger Jahren folgt darauf ein kleiner Paragraphendschungel, der das Recht in verschiedener Hinsicht einschränkt. 

Daraus könnte man schlussfolgern, dass die Verfasser und Verfasserinnen des GG nicht nur viel weiter waren als die Bevölkerung des Jahres 1949, die wahrscheinlich dem GG in dieser Form nicht zugestimmt hätte, sondern auch weiter und konsequenter als die Politik, die glaubt, sich vermeintlichen Sachzwängen beugen zu müssen, statt auf Grundlage der Grundrechte mutige Politik zu machen.

Fundstücke:

Verbote 1-3:




Sonntag, 19. Mai 2019

Der 59. Tag: 19. Mai 2019

Neukirch - Arnsberg - Mönchswalder Berg - Cosul

Eine Besonderheit des Ortes Neukirch besteht darin, dass er wirklich seeeehr langgezogen ist. Von einem Ende zum anderen läuft man wahrscheinlich eine Stunde. Eine andere Besonderheit ist die, dass sich hier offenbar viele mittlere und kleine Gewerbe und Industrieunternehmen angesiedelt haben. Dem Dorf scheint es gut zu gehen. Wäre interessant zu erfahren, ob sich die Situation auf das Wahlverhalten auswirkt.
Wir sind am Morgen nicht durch den ganzen Ort gegangen, sondern nur zur Kirche, wo der Wanderweg beginnt, der uns zurück auf den WDE führen sollte. Kurz nachdem wir auf den Wanderweg abgebogen waren, ist mir etwas passiert, was auf der ganzen GG-Wanderung noch nicht vorgekommen ist. Ich habe mich hingelegt. Im Weg war ein Loch, in das ich getreten bin, während ich woanders hinschaute und dann habe ich mich auf den Knien wiedergefunden. Weitere Verletzungen konnten zum Glück vermieden werden, aber ich neige dazu, solche Vorkommnisse im größeren Kontext zu betrachten und zu deuten. Der Sturz passt dazu, dass ich mich in den vergangenen Tagen etwas wackelig fühlte. Angespannt, vielleicht überfordert? Ich vermute, ein Grund dafür hat mit dem Erwartungsdruck zu tun, den ich mir innerlich aufbaue. Ich will die GG-Wanderung zum anvisierten Termin zu Ende bringen, aber natürlich habe ich nicht alle Bedingungen, die dafür stimmen müssen, in der Hand. Das Wetter etwa. Oder die Gefahr zu stürzen und mich zu verletzen. Und und und. Außerdem gibt es in einer Ecke meines Geistes die seltsame Erwartung, so kurz vor Schluss müssten doch noch ganz besonders interessante Dinge passieren oder Gespräche gelingen, die das GG oder einzelne Artikel in ganz neuem Licht erscheinen lassen. Kurz gesagt kommt mir die dramatische Logik in die Quere, die im Theater oder im Konzert das Finale immer ganz besonders großartig inszeniert. Eine andere Ecke meines Bewusstseins weiß genau, dass ich hier eine Performance mache, die nach ganz anderen logischen Gesichtspunkten funktioniert. Doch es scheint mir nicht leicht zu fallen, die GG-Wanderung einfach ausklingen zu lassen - ohne herausragendes Finale.

Nach dem kleinen Schreck sind wir weiter gewandert und kurz nachdem wir den WDE erreicht hatten, sind wir schon falsch abgebogen. Nach ein paar Kilometern haben wir bemerkt, dass wir viel zu weit nördlich gelandet sind. Wir haben uns entschieden, nicht zurück zu gehen, sondern auf einem anderen Weg nach Arnsberg zu laufen, wo wir den WDE wiederzufinden hofften.
Wieder einmal hat mich/uns der unfreiwillige Umweg an eine Stelle geführt, die nach einer Rezitation rief. In Arnsberg gibt es ein Gebäude, das früher wahrscheinlich ein Feuerwehrhaus war und jetzt einen Saal für Veranstaltungen, Seminare usw. beherbergt. Vor dem Gebäude steht bzw. hängt eine Glocke, die uns pünktlich um zwölf die Ohren kräftig in Wallung brachte. An der Hauswand befindet sich ein langes Zitat von dem Philosophen Johann Gottlieb Fichte, in dem es um Deutschland, die Deutschen und die Verantwortung geht.
Das Zitat lässt viel interpretativen Spielraum und Fichtes Ideen von der deutschen Nation sind ja eh fragwürdig. Jedenfalls dachte ich, in gut philosophischer Manier will ich Fichtes Ausführungen die Grundrechte des GG zu Seite stellen, sozusagen als starkes Argument, dass man bei der Rede über Deutschland nicht außer Acht lassen darf. Sonst passiert nämlich genau das, was Deutschland im 20. Jahrhundert in den Untergang getrieben hat.
Was die Bürger von Arnsberg wohl bewogen hat, dieses Zitat an die Wand zu schreiben?






Die erste und dann auch einzige Rezitation des Tages (1x) fand dort um 12.15 Uhr statt.




Danach sind wir wieder dem WDE gefolgt, der einige Steigungen für uns bereit hielt. Heute war der bislang wärmste und sonnigste Tag und wir sind ganz schön ins Schwitzen gekommen.
Der Wanderweg führt zur Zeit durch eine Gegend, in der die Ortsschilder zweisprachig sind, deutsch und sorbisch. Die sorbische Minderheit in der Lausitz hatte schon zu DDR-Zeiten einige Minderheitenrechte. Seit auch die Sorben mit dem GG leben, gilt für sie u.a. Artikel 3 Absatz 3, wonach niemand wegen seiner Abstammung oder Sprache benachteiligt oder bevorzugt werden darf.
In Deutschland gibt es nicht viele alteingesessene Minderheiten mit eigener Sprache. Genau genommen sind es vier sogenannte autochthone Volksgruppen, neben den Sorben die Friesen, die Dänen und die Sinti und Roma.
Eine Pfarrerin in Großpostwitz erzählte, dass sich die protestantischen Sorben mit den Deutschen weitgehend vermischt haben, wogegen die katholischen noch immer sehr unter sich bleiben und ihre Identität pflegen. Das scheint nicht ganz ohne gegenseitige Ressentiments abzugehen. Unsere Vermieterin in Cosul, wohin wir von Großpostwitz wanderten, sprach mit einer leicht ironischen Herablassung von den Sorben in der Niederlausitz. Da gibt es z.B. den Begriff der "Propeller-Miezen" für die Frauen in der sorbischen Tracht, zu der eine große Haarschleife gehört...
Ob Sorben wohl immun sind gegen großdeutschen Nationalismus?

Da es in der Pension, in der wir unterkamen, nichts zu essen gab, hat uns die Hausherrin zu einem Restaurant in der Nähe gefahren. Das war sehr nett. Draußen auf dem vor dem Gasthof steht ein "Mord-Gedenkstein" für zwei Leute, die dort 1859 ausgeraubt und ermordet wurden. Ein Fall für das Strafgesetzbuch, nicht direkt für das GG, in dem trotzdem das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit schon in Artikel 2 genannt werden.
Als wir aus dem Restaurant kamen, stand ein Regenbogen am Horizont.

Fundstücke:


LandArt aus Reifen


Samstag, 18. Mai 2019

Der 58. Tag: 18. Mai 2019

(Polenz) - Neustadt - Neukirch

Nach dem Frühstück im "Erbgericht" haben wir um kurz nach neun den Bus zurück nach Neustadt genommen. An der Bushaltestelle fanden wir einen Aufkleber, auf dem stand: "Hier verschwand ein antideutscher Hetzaufkleber. Wählt nationale Parteien".
Die Präsenz von rechtsextremen Sprüchen im Straßenbild ist hier in der Gegend manchmal verstörend. Ich komme später darauf zurück.
In Neustadt hatte die Tourist Info schon geöffnet. Ich habe eine Wanderkarte gekauft. Mit der Suche nach einer Bleibe für die nächste Nacht kamen wir dort nicht weiter.



Wir sind dann ins Ortszentrum gegangen, wo ich auf dem Marktplatz um 10h
die erste und einzige Rezitation des Tages (1x)
gemacht habe.


Reaktionen gab es darauf keine. Der Marktplatz machte auch keinen besonders belebten Eindruck. Es gibt einen kleinen Brunnen, der daran erinnert, dass dort bis 1935 (!) noch Viehmärkte stattgefunden haben.


Mit etwas Mühe und Hilfe einer Einheimischen haben wir den Weg gefunden, der uns in Richtung Neukirch führen sollte. Ursprünglich wollten wir von dort noch ein Stück weiter, doch es sollte anders kommen. Nach knapp einer Stunde durch die Ausläufer von Neustadt ging es in den Wald, der uns den größten Teil der Strecke beschattete, was heute bei gestiegenen Temperaturen ganz angenehm war. Auch die vielen zu absolvierenden Höhenmeter wurden dadurch etwas weniger mühsam.
Mittagsrast machten wir in einer Baude auf Bergeshöhe, mit Spargelcreme- bzw. Wildsuppe und Kaffee. Außerdem haben wir von dort aus drei Gasthöfe hinter Neukirch angerufen, die alle keine Zimmer mehr für uns frei hatten. Jetzt hieß es, darauf zu hoffen, dass wir in Neukirch eine Bleibe finden.
Rezitationsorte haben sich mir im Wald keine angeboten. Beim Aufstieg zum Valtenberg habe ich deshalb vor mich hin rezitiert und abgewartet, wo mein Geist hängen bleibt. Nicht ganz überraschend stach Artikel 18 heraus, in dem es darum geht, dass der Missbrauch der Meinungsfreiheit in ihren verschiedenen Ausformungen "zum Kampfe gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung" zum Verlust dieser Grundrechte führt. Für meinen Geschmack ist dieser Punkt bei einigem, was ich schon auf Plakaten - und heute auf diesem Aufkleber an der Bushaltestelle - lesen musste, erreicht. Hier findet - von einer kleinen Gruppe - ein Kampf gegen unsere Grundordnung statt. Die schleichende Gefahr, die von diesen Tendenzen für das GG und seiner fundierenden Bedeutung für unser Staatswesen ausgeht, darf nicht unterschätzt werden.
Artikel 18 steht in einem Spannungsverhältnis zu anderen Grundrechtsartikeln, besonders zu Artikel 5, in dem die Meinungsfreiheit garantiert wird. In der Anwendung der Artikel ist es gut, immer wieder und von Situation zu Situation neu zu justieren, welchem Aspekt das größere Gewicht gegeben wird: der Meinungsfreiheit oder dem Schutz des GG. Dabei widersprechen sich beide nicht unbedingt. Die Meinungsfreiheit gilt auch für Meinungen, die außerhalb der freiheitlich demokratischen Grundordnung angesiedelt sind. Doch wenn daraus Handlungen resultieren, die gegen die Grundordnung gerichtet sind, müssen Staat und Bürger konsequent dagegen halten.

So sinnierend bin ich den Berg hochgestiefelt und erinnerte mich an die kleine Gewohnheit, auf den jeweils höchsten Erhebungen einer Etappe eine Rezitation zu machen. Diese Gewohnheit hatte ich auf dieser Mai-Etappe bislang ganz vergessen. Der Valtenberg ist mit immerhin 587 Metern der höchste Berg in diesem Teil der Lausitz und bot sich von daher für eine Wiederaufnahme der Privattradition an. Doch oben angekommen war kein Platz zu finden, der zum Rezitieren geeignet gewesen wäre und so habe ich mich unverrichteter Dinge wieder an den Abstieg gemacht. Man muss von Gewohnheiten auch Abschied nehmen können.
Am Bahnhof in Neukirch wartete Wanderverstärkung aus Köln auf uns und ab sofort sind wir zu dritt unterwegs! Jetzt bgleitet uns Maria G, Freundin und Mitglied im Stimm-Performance Ensemble KörperSchafftKlang.

In Neukirch hatten wir Glück und haben eine Unterkunft gefunden, und zwar wieder in einem Gasthof zum Erbgericht! Dieser hat aber im Gegensatz zu seinem Namensvetter in Polenz seine Vergangenheit weitgehend hinter sich gelassen. Von außen historisch, von innen modern.

Fundstücke:

 LandArt
 kleines Glück?

Freitag, 17. Mai 2019

Der 57. Tag: 17. Mai 2019

Hohnstein - Neustadt (Polenz)

Der WDE führt von Hohnstein, wo wir die Nacht verbracht haben, ein gutes Stück lang über die Landstraße. Das wollten wir uns ersparen und wir sind stattdessen den Kälbersteig durch ein sehr schönes Tal mit maigrünen Buchenwälder gelaufen. Dadurch war der Begriff "idyllisch" von Beginn an in unserem aktiven Vokabular bereitgestellt und musste sich erst kurz vor Neustadt, unserem heutigen Ziel, in den Hintergrund verziehen.
Der größte Teil des Weges führte heute durch das Polenztal. Die Strecke war zwar nicht so spektakulär wie gestern, aber sie hatte alles zu bieten, was man sich von einer typischen deutschen Mittelgebirgslandschaft so wünscht: ein zwischen Plätschern und Rauschen variierender und mäandernder Bach, tief eingeschnittene Tallagen und weite saftig grüne Wiesen, weiche Waldwege und ein paar kurze Klettereinlagen.
Direkte Anregungen für die Beschäftigung mit dem GG waren am Wegesrand ebensowenig zu finden wie in unserem Geist, der sich in den Erholungsmodus verabschiedet hatte.
Auf einer in verschiedenen Grüntönen schimmernden Wiese fanden wir eine Bank, auf der wir die Mittagspause einlegten. Das Wetter war heute das erste Mal freundlich zu uns und so konnten wir es entspannt genießen, unseren Proviant aufzuessen. Irgendwann dachte ich, warum sollte ich nicht an dieser Stelle eine Rezitation der Grundrechte machen. Gedacht - getan. Aus dem einzigen Grund, weil es dort so schön war. Nach den relativ schweren Orten der vergangenen Tage schien es mir angemessen, an dem einfach nur schönen Ort
die erste Rezitation des Tages (1x) um 12.40 Uhr durchzuführen.

Es sollte die einzige bleiben.
Während des Rezitierens kamen sogar zwei andere Wanderer vorbei, die aber so in ihr Gespräch vertieft waren, dass sie mich und die Rezitation nicht wahrgenommen haben.

Danach ging es weiter durch die Mittelgebirgsidylle und erst ab dem Ort Polenz, der kurz vor Neustadt liegt, wurde der Weg weniger reizvoll. Neustadt ist seit längerem die erste kleine Stadt, durch die der WDE führt, die nicht touristisch aufgehübscht ist. Wir sind durch sehr weitläufige Wohnsiedlungen gelaufen, bevor wir die Tourist Info erreichten. Die sehr freundliche Frau dort konnte uns zu unserer Überraschung kein Zimmer mehr vermitteln, weil alles besetzt war. So mussten wir notgedrungen mit dem Bus zurück nach Polenz, wo wir im Gasthof Erbgericht unterkamen. Erbgericht? Genau. Im Erzgebirge war ich schon einmal in einem Gasthof mit diesem Namen.
Dieser hier ist ein sehr großes Gebäude aus dem Jahr 1898, zu groß, um gut bewirtschaftet zu werden, meinte die Chefin zu uns.
Als wir ankamen, war das Zimmer noch nicht fertig und wir mussten auf der riesigen Terrasse, auf die man von dem Zimmer aus kommt, warten bis alles sauber und bereitet war.
Haus und Zimmer versprühen den Charme der Vergangenheit, die versucht, den Kontakt mit der, Gegenwart nicht zu verlieren. Ist mir das so sympathisch, weil ich das Problem aus eigener Erfahrung kenne?
Das eigentliche Problem dahinter besteht darin, dass man im Hin und Her zwischen Vergangenheit und Gegenwart Gefahr läuft, sich selbst zu verlieren. Das scheint mir eine Gefahr, die auch das GG betrifft. Bestes Beispiel ist Art. 16a, der ursprünglich nur aus dem einfachen Satz bestand: Politisch Verfolgte genießen Asylrecht. Die Aktualisierungen, die es dazu gegeben hat, sind nicht nur seitenlang, sie lesen sich auch als Verwässerung des ursprünglichen Artikels. Bei aller Notwendigkeit, das GG an die Gegenwart anzupassen, ist es wichtig darauf zu achten, die eigentliche Essenz nicht zu verlieren. Manchmal ist weniger mehr.

Wir haben am Abend gut gegessen und selbst das vegetarische Angebot war nicht nur überhaupt existent, sondern sogar geschmacklich absolut akzeptabel.


Fundstücke:

 nicht nur im Kloster beliebt...

 antikes Zeugnis der Telekommunikation (Torso)


natürliches Farbenspiel                                                         natürlicher Hunger