Gestern (am 1. Juni) habe ich wegen einer sehr bedrohlich klingenden Wettervorhersage der von morgendlichem Regen bestätigt zu werden schien, eine Wanderpause eingelegt und mich in der Burg Hessenstein aufgehalten. Bei der Lektüre einer nordhessischen Regionalzeitschrift bin ich auf ein Interview gestoßen, in dem von einem Grundrecht des GG die Rede ist. Die Präsidentin der Bundesarchitektenkammer spricht darin von der Pflicht des Bauherren gegenüber der Öffentlichkeit, beim Bau neuer Gebäude auch das Wohl der Allgemeinheit im Blick zu halten. Zitat: "Bauen ist nie nur privat, sondern immer auch öffentlich. Die Außenwand des Innenraums ist die Innenwand des Außenraums, die dritte Dimension des öffentlichen Raums. Unser Grundgesetz sagt: Eigentum verpflichtet und muss auch dem Gemeinwohl dienen!)
Am Morgen des 2. Juni bin ich um ca. halb neun losgegangen. Der Weg
führte mich durch den Nationalpark Kellerwald und die südlichen
Abschnitte des Kellerwaldsteigs. Der erste Ort, durch den ich kam, hieß
Frankenau. Dort habe ich mir einen Kaffee gegönnt und am Rande des Dorfes
überraschenderweise eine gute Stelle für eine Rezitation gefunden. An einem
kleinen Teich mit einer Sitzbank fiel mir ein Betonquader auf, der ungefähr
1,50 m hoch und 1,20 m breit war. Ich schaute mir den Stein etwas genauer an und
auf der einen Seite fand ich zwei hölzerne Plaketten mit dem Namen und
Geburtsdatum Goethes und dem Hinweis, dass der Gedenkstein zum 200sten
Geburtstag des Dichters im Jahr 1949 aufgestellt wurde. Also im selben Jahr, in
dem das Grundgesetz in Kraft getreten ist.
Ich weiß nichts über die Geschichte
dieses Steins. In mir sind zwei Assoziationen aufgetaucht. Wer immer auch für
dieses Goethe-Monument verantwortlich war, er oder sie hat wahrscheinlich damit
kurz nach dem Krieg an eine „bessere“ deutsche Tradition anknüpfen wollen, als
die es war, die gerade Europa verwüstet hatte. Das Besondere daran ist, dass
dem Menschen klar gewesen zu sein schien, dass es kein einfaches Zurück gibt
und bloße Nostalgie nicht weiter hilft. Deshalb wurde das Gedenken an Goethe
nicht in eine neoklassizistische Büste gegossen, sondern mit einem schlichten
und daher sehr modernen Stein versehen, der auch die Erinnerung an den Krieg
zulässt. Das finde ich ziemlich stark und ich hätte sowas in einem kleinen Dorf
irgendwo in Hessen nicht erwartet. Dort fand also um 10.30 h meine heutige
Rezitation statt.
Danach ging es ohne großartige Ereignisse, die man auf das
Grundgesetz beziehen könnte, weiter. Es gab Begegnungen mit einem Reh und mit
zwei Hasen (!!). Diese Erlebnisse wirken ja gerne wie die Sahnehäubchen einer
Wanderung, auch wenn es eigentlich um was ganz anderes geht, in meinem Falle um das Grundgesetz. Es bleibt leider dabei, dass der Naturschutz als ein Grundrecht für die Menschen, die in dieser Welt leben, in den Grundrechten des GG nicht auftaucht. (Die Natur selbst kann nicht Adressat eines Grundrechtes sein, Grundrechte beziehen sich immer auf Menschen bzw. Staatsbürger.)
Immerhin kann ich noch eine tierische Anekdote berichten,
die in Verbindung steht mit einigen Überlegungen, die ich am 19. Tag (29.5.) zum
sozialen Status von Kuh- und Schafhirten notiert habe. Kurz hinter Frankenau
bin ich an einer Schafherde vorbei gekommen. Schäfer und Hund waren etwas
oberhalb der Wiese. Als ich an den Schafen vorbei ging, fing die Herde an, sich
in meine Richtung zu bewegen und wurde daran vom heran hechtenden Hund
gehindert. Der Schäfer meinte danach, seine Schafe würden halt gerne hinter einem
Menschen mit Stock herlaufen. Mit anderen Worten: Die Schafe haben in mir
einen potenziellen Schafhirten gesehen! Der Hund eher nicht, aber immerhin hat er mich auch nicht als verlorenes Schaf betrachtet....
Auf einem Teilstück des heutigen Weges gibt es einen Skulpturenweg namens Ars Naturalis. Die Arbeiten, die man dort betrachten kann, sind nicht so ambitioniert wie auf dem Waldskulpturenweg im Hochsauerland. Schon von der Größe her zeigen sie eine gewisse Bescheidenheit. Eine andere, nicht weniger angemessene Art, das Verhältnis zwischen Kunst und Natur auszugestalten.
Das Grundrecht aus Art. 5, das Kunst versichert, frei zu sein, bekommt in der freien Natur eine schöne Nebenbedeutung.
Hier ein paar Beispiele von Hans Lamb, Frank Bartecki und F. Michael Müller:
W ort |
Irrgarten |
Ohne Titel |
Kurz vor Bad Wildungen kam ich an ein paar Quellen vorbei, die den Ruf des Ortes als Heilbad begründet haben. In der Stadt angekommen bin ich mehr oder weniger direkt zum Bahnhof gegangen und in den nächsten Zug gestiegen, der mich über Kassel nach Köln brachte.
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