Beim Frühstück in der Benediktinerabtei las ich in einer katholischen Zeitschrift namens Theo ein Interview mit der Schriftstellerin Nora Bossong, in dem vom ersten Artikel des Grundgesetzes die Rede war. Sie hat ein Buch über Prostitution geschrieben und nach den Recherchen Zweifel entwickelt, ob die Würde des Menschen wirklich unantastbar ist. Hinter diesen Zweifeln steckt meiner Ansicht nach die Idee, dass das Grundgesetz in Art. 1 von einem Tatbestand spricht. Das ist aber nicht der Fall. Es geht um ein Recht und als Recht ist die Menschenwürde unantastbar. Nach dem GG kann man dieses Recht nicht verlieren, aber es kann sehr wohl verletzt werden. Das GG erhebt mit Artikel 1 sozusagen einen universalen Rechtsanspruch für alle Menschen. Praktisch und juristisch hat das außerhalb Deutschlands wenig Konsequenzen, und auch in Deutschland selbst kommt es dauernd zu Verletzungen dieses Menschenrechts, aber trotzdem ist der Anspruch stark und wirksam.
Ich erinnere mich an einen Beitrag über einen syrischen Flüchtling, der erzählte, in der (syrischen) Schule diesen Artikel 1 gelesen zu haben und darüber sehr erstaunt war. Denn in einer syrischen Verfassung schien ihm ein solches formuliertes Recht auf Würde geradezu undenkbar.
Auf dem Büchertisch in der Benediktinerabtei fand ich dann auch noch ein Buch über das Herzensgebet, auf dessen Cover eine Gebetskordel prangte. Später am der Pforte gab es die Gebetskordel auch zu kaufen.
Das erinnert mich nicht nur an meine Rezitationskette (und all die traditionellen Vorläufer), sondern auch an meine erste positiv konnotierte Begegnung mit der Idee des Psalmodierens und der Wirkung von Texten durch Wiederholung: Als Jugendlicher hat ein älterer Freund sich einige Zeit mit dem Herzensgebet beschäftigt und mir erschien es damals schon sehr plausibel, dass das Rezitieren eines starken Textes soweit gehen kann, dass der Text Teil des inneren Systems wird, in dem die Rezitation quasi von selbst weiterläuft. Ob die Grundrechte des GG auch so wirken können? Das wird sich vielleicht noch herausstellen im Laufe der Wanderung.
Erste und einzige Rezitation heute auf einem kleinen Platz in Hahn, einem Dorf nahe Kornelimünster. Zaungäste waren zwei Frauen, die eine mit Rollator, die gemächlich an mir vorbeizogen.
Danach
auf unbeabsichtigten und selbstverschuldeten Umwegen nach Simonskall.
Am ersten Wegzeichen, das den Wanderweg der deutschen Einheit anzeigte, bin ich falsch abgebogen (ein Zeichen?) was ich erst merkte, als wir in Zweifall ankamen, viel zu weit im Norden. Momente von Verzweiflung, dann ein Orientierungsgespräch mit zwei einheimischen Frauen, von denen uns eine auf die Höhe gefahren hat, von wo aus wir den Weg nach Simonskall noch schaffen konnten.
Für Rezitationen war dann keine Energie mehr da.
Fundstücke: Natur und Technik
Gruss vom THEO phan O platz (Köln Zollstock)
AntwortenLöschenBossong & GG?
Bedenke Gramsci und messe die Körpertemperatur
vor & nach einer Rezitation!
Auf geht's & ab & lauf!