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Freitag, 10. August 2018

Der 33. Tag: 10. August 2018

Reitstein - Oberhof

Eine lange Wanderung habe ich heute hinter mich gebracht, aber es war kühler als an den Tagen davor und deshalb nicht so anstrengend.
Doch habe ich mich auf meiner Wanderung selten so entfernt vom GG gefühlt wie heute. Beim Gehen habe ich für mich ab und zu rezitiert, aber ich kann nicht behaupten, dass mir irgendwelche erwähnenswerte Gedanken zum GG gekommen wären.
Auch die erhofften äußeren Impulse blieben weitgehend aus. Die erste Hoffnung lag auf der Ebertwiese, doch der Name hatte nichts zu tun mit dem sozialdemokratischen Kanzler der Weimarer Republik (sondern mit einem Abt Eberhard, der die Wiese vor langer Zeit roden ließ).

Auch Erichs Ruh hielt nicht, was ich mir davon versprochen hatte. Der Gedenkort hatte nichts mit Erich - "Ich liebe Euch doch alle" - Mielke oder seinem Namensvetter und Chef Honecker zu tun, sondern mit einem Förster hier im Wald.

Irgendwann später gab es noch einen Hinweis auf Meister Eckhart, der hier irgendwo in der Gegend geboren wurde. Eckhart steht zwar in meinem philosophischen Heiligenkalender, aber die Verbindung zum GG ist dann doch zu dünn. Allenfalls als Pionier der Demokratisierung des Denkens könnte er erwähnt werden. Seine Predigten waren so originell, dass seine Zuhörer gar nicht anders konnten als mit - und nachzudenken statt nur brav nickend zuzustimmen.

Das einzig im Zusammenhang von GG und Politik Erwähnenswerte auf der Etappe waren die unzähligen Grenzsteine, die den Rennsteig hier säumen.

 Der älteste, den ich gesehen habe, stammt von 1680, die meisten sind aus dem 18. und 19. Jahrhundert. Grob gesagt gab es in der Gegend drei verschiedene Staaten, die sich voneinander abgrenzen wollten: Hessen, Sachsen bzw. Sachsen-Gotha und Preußen. Alle haben ihre Steine an den Weg gesetzt, manchmal an die selbe Stelle oder die jeweiligen Wappen und Zeichen werden direkt auf denselben Stein gemeißelt. Die Orte werden  Dreiherrensteine genannt.

Innerdeutsche Grenzen, die sich über die Jahrhunderte immer wieder verschieben. Aus dem 20. Jahrhundert findet man hier keine Grenzsteine. Da verlief die innerdeutsche Grenze anders - und schnitt den Rennsteig an beiden Enden ab: in Richtung Hessen und in Richtung Bayern.
Grenzsteine sind sehr viel sympathischer als Grenzanlagen. Steine zeigen an, welches Territorium man verlässt bzw. betritt, aber sie hindern einen nicht daran, in die ein oder andere Richtung zu gehen. Grenzsteine, wie sie am Rennsteig stehen, schränken (und schränkten prinzipiell) die Geltung von Art. 11 nicht ein: " Alle Deutschen genießen Freizügigkeit im ganzen Bundesgebiet". Jedenfalls nicht physisch, auch wenn die Gesetze anderes gesagt haben mögen.

Deshalb habe ich mich entschieden, eine Rezitation an einem solchen Grenzstein zu machen. Die Frage war nur noch, ob sie an einem der Dreiherrensteine oder an einem sogenannten Grenzadler stattfinden sollte. Die Grenzadler waren die etwas überdimensionierten Steine, die die Preußen nach 1866 hier aufstellten und auf denen, wenig überraschend, ein Adler prangt.
Meine Entscheidung für einen Dreiherrenstein muss man nicht unbedingt als Votum gegen Preußen auffassen, aber der Dreiherrenstein, den ich mir ausgesucht hatte, ist zugleich ein Gedenkstein für den Thüringer Schriftsteller Gustav Freytag, und Schriftsteller waren im 19. Jahrhundert in der Regel friedliebendere Zeitgenossen als preußische Grenzsteinaufsteller.
Die Rezitation (1x) fand um 16.10 Uhr statt.


Auf den Wegschildern des Rennsteigs tauchte irgendwann das Skisportzentrum Oberhof auf, in dem es auch Übernachtungsmöglichkeiten geben würde. Ich stellte mir darunter so ein Sporthotel am Hang gelegen vor und ging davon aus, dort leicht ein Zimmer zu finden. Heilige Einfalt. Das Skisportzentrum ist ein riesiges, geradezu monströses Areal.

Es kündigte sich schon auf dem Rennsteig damit an, dass der Weg von alsphaltierten Strecken gekreuzt wurde, auf denen ab und zu Leute mit Sommerskirollen vorbeibrausten.

Ich bin schnell weitergewandert und in den Ort Oberhof gelangt, der offenkundig in erster Linie von und für den Wintersport existiert. Sport ist in den Grundrechten des GG nicht erwähnt und ich muss gestehen, dass ich (persönlich) darin kein Manko des GG erkennen kann...

Untergekommen bin ich in einem Gasthof mit thüringisch-schweizer Flair.


Fundstück:

Donnerstag, 9. August 2018

Der 32. Tag: 9. August 2018

Ruhla - Schillerbuche - Großer Inselsberg - Reitstein

Nach einem etwas unangenehmen Frühstück in dem Café in Ruhla, wo ich die Nacht verbracht habe (ich komme später darauf zurück), bin ich auf einem anderen Weg als gestern hoch auf den Rennsteig gelaufen...na ja, gekrochen wäre der passende Ausdruck.
 Dabei kam ich an einer alten, originalen Bauhaus-Siedlung vorbei, die die Jahrzehnte überstanden hat, ohne formal gealtert zu sein. Das Drumherum sah allerdings nicht so aus, als ob sich die Bewohner sehr um ihre Wohnstatt kümmern würden. Gute Architektur alleine macht es noch nicht....

Nach knapp zwei Stunden Wanderns bin ich zur Schillerbuche gelangt. Da konnte ich natürlich nicht acht- und rezitationslos dran vorbeigehen.
Schiller hat für die Grundrechte des GG starke Vorarbeiten geleistet: Alle Menschen werden Brüder/Geschwister - zumindest wenn sie sich einst entschließen, die ästhetische Erziehung des Menschengeschlechts zu durchlaufen.
Die ursprüngliche Schillerbuche bekam 1905 ihren Namen. Zu der Zeit stand sie schon ungefähr 150 Jahre an der Stelle. Schiller und Buche haben also mehr oder weniger zeitgleich das Licht der Welt erblickt.

Von dieser Buche ist heute nicht mehr viel übrig, darum wurde im Jahr 2006 daneben eine neue Buche gepflanzt, die gesund und kräftig aussieht.

Sollte sich hier eine Schiller-Renaissance ankündigen?
Mit dem Rücken zur alten und dem Blick zur neuen Buche habe ich um 10.10 Uhr die erste Rezitation (1x) des Tages gemacht.













Nicht ganz unpassend hat just in dem Moment, als ich loslegte, auf der anderen Straßenseite ein Lastwagen, der Lebensmittel für einen Imbiss ablieferte, seinen Kühlungsmotor gestartet und bis nach dem Ende der Rezitation laufen lassen. Schiller und das GG müssen sich gegen den Alltagslärm behaupten; nicht selten gehen sie darin unter.


Nach der Rezitation bin ich unverdrossen weiter gewandert. Ich hatte darauf gehofft, an einem nicht mehr fernen Gasthaus am Rennsteig-Wegesrand einen Kaffee und Wasser für meine Trinkflaschen zu bekommen. Das Haus war geschlossen. Kurz blitzte Hoffnung auf, dass ich wenigstens die Flaschen auffüllen könnte, als ich einen Wasserhahn entdeckte, doch nur um festzustellen, dass das Wasser abgestellt war.
Doch nach etwa drei Kilometern tat sich eine viel bessere Gelegenheit auf. Etwas ab vom Weg befand sich eine Bergquelle, die zwar den wenig vertrauenserweckenden Namen Schierlingsborn trägt, das Wasser schmeckte aber vorzüglich und hatte bislang keine negativen Auswirkungen.







Am späten Mittag bin ich auf dem Großen Inselsberg angekommen, der mit 916 Metern höchsten Erhebung meiner bisherigen GG-Wanderung. Allein aus diesem Grund habe ich dort um 13.20 Uhr die zweite Rezitation (2x) des Tages gemacht.


Die Reaktion der Leute, die an mir vorbei liefen, um zum Aussichtsturm zu gelangen, blieb im Rahmen des üblichen. Ein paar Menschen warfen einen Blick auf das Infoplakat und gingen dann weiter, die anderen ließen mich sozusagen links liegen und nur eine ältere Dame warf mir einen ziemlich bösen Blick zu.

Nach einer Stärkung auf der Terrasse des Berggasthofs habe ich telefonisch erfolglos versucht, ein Zimmer in der Unterkunft zu ergattern, die ich mir am Morgen ausgesucht hatte. Stattdessen bin ich am Fuße des Inselbergs untergekommen. Immerhin konnte ich vermeiden, wie gestern lange zimmersuchend durch die Gegend laufen zu müssen. Ich/das Grundgesetz scheinen nicht so einfach Herberge zu finden auf dem Rennsteig. Der Gasthof entsprach wieder sehr meinem Geschmack, weil er etwas aus der Zeit gefallen schien. Altes Mobiliar, zu dem die beiden Besitzer wunderbar passten.

Als Rheinländer benötigt man etwas Zeit, um die Art des Umgangs, der im Thüringer Wald gepflegt wird, richtig einzuschätzen. Für unsereins liegt es nahe, den kratzbürstigen und schroffen Grundton, der hier herrscht, als Unfreundlichkeit zu verstehen. Das ist aber meistens gar nicht so gemeint. Die Unfreundlichkeit äußert sich, wenn sie auftaucht, eher in der Verweigerung einer normalen Kommunikation. Ein Beispiel, mit dem ich auf mein Frühstück von heute Morgen zurückkomme: Als ich das Café betrat, saßen da vier Leute an einem Tisch. Sonst war niemand zu sehen. Niemand grüßte und ich stand eine Weile ratlos herum, bis eine Frau vom Tisch zu mir sagte: "Sie können sich da hinten hinsetzen". Kein: "Guten Morgen!", kein "Haben Sie gut geschlafen?" oder gar "Ich bin bin die Chefin des Hauses und habe schon gehört, dass Sie gestern Abend noch bei uns untergekommen sind."
Höflichkeit ist kein explizites Thema in den Grundrechten des GG. Aber hier wird die Frage tangiert, ob man in Deutschland neben dem Grundgesetz eine "Leitkultur" formulieren sollte. Mit meinem kleinen Beispiel wird angedeutet, wie schwierig das würde. Die rheinländische "Leitkultur" sähe nämlich ganz anders aus als die thüringische, u.a. weil beide Regionen verschiedene Formen von Freundlichkeit und Unfreundlichkeit kennen und praktizieren.
Und wenn ich an meine Freunde und Bekannte denke, die aus Ländern stammen, deren Landsleute sich vermeintlich so schwer tun, sich "bei uns" zu integrieren, glaube ich, wir könnten uns von "deren" Höflichkeitskultur einiges abschneiden bzw. zu eigen machen. Natürlich gibt es auch von dort stammende weniger höfliche Menschen und das zeigt, dass die Trennlinie zwischen "leitkultivierten" Leuten und denen, die Integrationsmaßnahmen benötigen, nicht national gezogen werden kann.

Fundstücke:


...und für 1914/18 und 1939/45 muss man heute hinzufügen und froh sein, dass diese Zeiten (und diese Form von Unhöflichkeit) hoffentlich für immer vorbei sind.

....dagegen setze ich gerne diesen Anflug von ungefährlicher Nostalgie....

Mittwoch, 8. August 2018

Der 31. Tag: 8. August 2018

Creuzburg - Hörschel - Rennsteig - Ruhla

Es war wieder ein sehr langer und heißer Tag, der mich von Creuzburg an der Werra entlang nach Hörschel führte, wo ich auf den Rennsteig gelangt bin, auf dem ich in den kommenden Tagen durch den Thüringer Wald wandern werde. Ich hatte erwartet, dass es am Startpunkt des Rennsteigs ein großes Wanderzentrum gibt, in dem man Karten, Wanderführer usw. kaufen und vielleicht seine Wasserflasche auffüllen kann. Das sehr kleine Gebäude, wo es Infos hätte geben können, war geschlossen und mit Mühe habe ich in einem Gasthof, der auch noch geschlossen war, meine Wasservorräte auffrischen können.

Der erste Teil des Rennsteigs führt in großem Bogen um Eisenach und um die Wartburg herum. An einigen Stellen gibt es Aussichtspunkte auf die Burg und an einer davon habe ich um 11.40 Uhr die Rezitation des heutigen Tages gemacht.





Die Wartburg gehört zu den großen symbolgeladenen Orten der Reformation. Luther hat dort bekanntlich seine Bibelübersetzung verfasst (und dem Teufel eins mit dem Tintenfass aufs Auge gegeben).
Mir fallen zwei Aspekte ein, die man mit dem GG in Verbindung setzen kann.
Durch die Reformation hat die Idee der individuellen Freiheit des Menschen einen entscheidenden Schub erhalten. Zwar hat die Entwicklung bereits mit der (italienischen) Renaissance begonnen, doch erst mit Luther wurde sie sozusagen demokratisiert. Nicht nur der schöpferische Mensch gewinnt bei Luther an Bedeutung und Würde, sondern jeder Mensch hat jetzt die Chance und die Pflicht, Selbstverantwortung für das eigene Leben und Denken zu entwickeln.
Dafür war es zweitens wichtig, dass die Schrift und die Schriften im Prinzip allen zur Verfügung stehen. Luthers Bibelübersetzung auf der Wartburg war dafür der entscheidende Anstoß.
Die Bibel lesen zu können blieb nicht länger das Privileg einer kleinen Bildungselite. Jetzt konnte sich im Prinzip jede und jeder ein eigenes Bild von der Heiligen Schrift machen. Damit änderten sich Bedeutung, Wirkung und Interpretation der Bibel eklatant.

Nur durch die Entstehung des protestantischen Bibelverständnisses ist es (mir) heute möglich, sinnvoll die (bestreitbare) These in den Raum zu stellen, dass das Grundgesetz ähnlich wie ein heiliger Text funktioniert. Die Grundrechtsartikel sind für die Bürger ein feststehender unveränderlicher Text, und zugleich hat jede/jeder das Recht, sich diesen Text anzueignen und eine persönliche adäquate Lesart zu finden. Dafür bietet das GG einen gewissen Spielraum, der aber nicht beliebig groß ist. Das ist bei der Bibel ähnlich.
Anders gesagt: Die Reformation hat inhaltlich einige entscheidende Vorarbeiten für das GG geleistet und auf der formalen Ebene hat sie die Möglichkeit eröffnet, einen Text zugleich demokratisch und transzendent zu verstehen - zugleich als von allen geteilte ideelle Grundlage der Gemeinschaft, den jeder lesen kann, und als Text, der über den einzelnen steht in dem Sinne, dass er für alle Geltung beansprucht. So wurde es möglich, ein Staatswesen auf einen Text zu gründen, statt auf eine Struktur, die von Herrschenden vorgegeben wird.
Der entscheidende und bleibende Unterschied zwischen einem heiligen Text und dem GG besteht darin, dass sich die deutschen Staatsbürger das Grundgesetz selbst gegeben haben - wie es in der Präambel der GG heißt - und ein heiliger Text in der Regel von einer höheren Instanz gegeben wird.

Ansonsten bin ich heute sehr lange durch die Hitze gewandert. Die Suche nach einer Unterkunft gestaltete sich wieder einmal schwieriger als ich dachte. Am Rennsteig gab es auf der heutigen Etappe nur einen Gasthof mit Zimmervermietung. Das Haus war aber voll belegt und ich musste am Ende noch den Abstieg in den Ort Ruhla machen, wo ich in einer Pension, die an eine Bäckerei angegliedert ist, untergekommen bin.

Fundstücke:
 


...angekommen nach langer Wanderung:



Dienstag, 7. August 2018

Der 30. Tag: 7. August 2018

(Treffurt) - Creuzburg

Heute war hitzefrei. Bei Temperaturen um die 34 Grad und nach dem Gewaltmarsch gestern habe ich mir einen wanderfreien Tag gegönnt.
Beim Frühstück noch in Treffurt bei einem Bäcker habe ich die Thüringische Allgemeine gelesen. In der Sommerlochdiskussion über die Wiedereinführung der Wehrpflicht oder eines sozialen Pflichtjahres, das auch für Frauen gelten würde, spielt die Frage eine Rolle, ob ein soziales Pflichtjahr verfassungsrechtlich zulässig wäre. Nach Art. 12 Abs. 2 GG darf niemand zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, "außer im Rahmen einer herkömmlichen, allgemeinen, für alle gleichen, öffentlichen Dienstleistungspflicht". Darunter würde ein soziales Pflichtjahr sicher nicht fallen. In den ersten 19. Artikeln des GG sind die Grundrechte und nicht die möglichen Bürgerpflichten aufgelistet. Dass es solche gibt, weil es eine bürgerliche Verantwortung für das Gemeinwesen gibt, liegt einerseits auf der Hand und ist andererseits nur schwer in eine freiheitliche Verfassung zu integrieren.

Mit dem Bus bin ich von Treffurt nach Creuzburg gefahren. Damit befinde ich mich wieder auf dem Wanderweg der deutschen Einheit, auf dem es morgen in Richtung Rennsteig gehen wird.
Bei meinem Besuch des Museums auf der Creuzburg gab es ein paar interessante Informationen. Der Komponist Michael Prätorius und die heilige Elisabeth werfen dabei für das GG nicht viel ab. Der heilige Bonifatius war hier (724) und hat zwar nicht noch eine Eiche gefällt (wie in Fritzlar, siehe 24. Tag der Wanderung!), aber ein Holzkreuz soll er errichtet haben.

Im 17. und 18. Jahrhundert war Creuzburg offenbar eine Hochburg für Hexenprozesse. Ohne zynisch sein zu wollen, waren mit diesem traurigen Kapitel der europäischen Geschichte die Anfänge eines schriftlich fixierten Strafrechts verbunden. Mit der allerdings zunächst eine völlig pervertierte Rechtsidee festgeschrieben wurde. (Man muss ja immer wieder betonen, dass die Hexenverfolgung kein Phänomen des sogenannten dunklen Mittelalters darstellte, sondern erst mit dem Einstieg ins (männlich) rationale Zeitalter der frühen Neuzeit zu einer gesellschaftsbestimmenden Kraft wurde.)
Neben der Creuzburg hat der gleichnamige Ort noch ein paar andere kulturhistorisch bemerkenswerte Bauwerke aufzuweisen. Dazu zählen die steinerne Brücke über die Werra, die der Stadt nicht nur Segen, sondern viel Kriegsleid beschert hat. Und die direkt daneben stehende Liboriuskapelle, die 1499 erbaut wurde. Am Übergang zwischen Brücke und Kapelle habe ich um 18 Uhr eine Rezitation gemacht.


Als ich von dort zu meiner Unterkunft kam, stellte sich heraus, dass in der Pension mit mir ein Bautrupp, der aus vier Türken besteht, die aus Duisburg stammen, wohnt. Das war eine Überraschung. Beim Abendessen bin ich mit ihnen ins Gespräch gekommen und anscheinend fahren die vier durch ganz Deutschland zu Baustellen. Wir haben uns über regionale Mentalitätsunterschiede in Deutschland ausgetauscht (wobei Köln ziemlich gut wegkam) und ich habe erzählt, was ich hier mache, ohne auf eine direkte Reaktion zu stoßen. Der Bautrupp lernt Deutschland jedenfalls anders kennen als ich. Einem der Arbeiter war aufgefallen, dass es in Ostdeutschland so wenig Industrie gibt, "überall Wald", was sich nicht zuletzt auf Thüringen bezogen hat, wohin ich mich morgen aufmachen werde.

Fundstück:

Montag, 6. August 2018

Der 29. Tag: 6. August 2018

(Sontra) - Grandenborn - Boyneburg - Röhrda - Heldrastein - Treffurt

Das war heute wohl eine der längsten Etappen der GG-Wanderung und das an einem der heißesten Tage dieses heißen Sommers.
Zum Glück verlief die Strecke größtenteils durch schattenspendende Buchenwälder.

Am Morgen hatte mir der nette Hotelier in Sontra eine Art Mitfahrgelegenheit besorgt, mit einem Mann, der morgens Brot herumfährt und der für mich einen Umweg über Grandenborn machte. Im Gespräch während der Fahrt habe ich ihm von der GG-Wanderung erzählt. Daraufhin gab es zwei Reaktionen, die für meine Typisierungsversuche der letzten Tage interessant sind. Zum Einen hat er von sich aus gefragt, ob ich so was beruflich mache oder "als Hobby". Und dann hat er ebenfalls aus eigenem Antrieb nach der Adresse des Wanderblogs gefragt.
Für die Fahrt wollte er von mir nichts haben und er meinte, wenn er mal eine Werbung für die, Bäckerei produzieren wolle, könnte ich ja den Text sprechen. Mach ich!
Die ganze Zeitspanne mit der Übernachtung im Hotel in Sontra, das so angenehm altmodisch entspannt war, und der Geschichte am Morgen, hatte eine unaufgeregt solidarische Atmosphäre. Ganz ohne den spätkapitalistischen Druck von Effizienz und Erfolg. Das hat mir gut getan.

Von Grandenborn bin ich zur Boyneburg gewandert, von der nur noch ein paar Steinreste stehen.
Mit dem Ort sind aber zwei Geschichten verbunden, die den Ort für mich interessant machen. Friedrich Barbarossa, der dem Wanderweg, dem ich durch Hessen gefolgt bin, seinen Namen gegeben hat, war mehrmals auf der Burg, auch kurz bevor er zum Kreuzzug aufgebrochen ist, in dem er 1190 ums Leben kam.
Außerdem gibt es eine Geschichte von der Burg, die es sogar in die Sammlung der Grimm'schen Märchen geschafft hat. Es handelt sich um eine der Geschichten, in denen sich ein junges Mädchen, hier die Tochter des Barons, opfert -  in diesem Fall, um ein Gewitter zu besänftigen. Irgendwie ist damit der Brauch verbunden, dass der Baron am Himmelfahrtstag aus seiner Burg Brot und Speck wirft für die Armen und Untergebenen. Mit sehr viel Wohlwollen kann man hier eine Verbindung zu Art. 14 GG ziehen: Eigentum verpflichtet, sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.

An der Boyneburg habe ich um 9.20 Uhr die erste Rezitation des Tages (1x) gemacht.
Um diese Zeit natürlich ohne menschliches Publikum. An einem geschichtsträchtigen Ort ganz alleine das GG zu rezitieren, ist immer wieder ein merkwürdig starkes Gefühl.

Dann ging es weiter nach Röhrda und dahinter wartete ein langer und steiler Aufstieg und eine sehr lange Wanderung durch die hessischen Wälder auf mich. Mein nächstes Etappenziel Heldrastein habe ich kurz nach vier erreicht. Ich hatte mir den Ort etwas belebter oder irgendwie besser angebunden vorgestellt, aber da steht einfach ein ziemlich hoher Turm im Wald. Drumherum ein paar Sitzbänke und keine Trinkwasserquelle!


Schon im 19. Jahrhundert gab es an der Stelle einen Aussichtsturm. Zu DDR Zeiten wurde der Turm zuerst für die Öffentlichkeit geschlossen, weil er zu nahe an der Grenze stand. In den 60ern wurde er ganz abgebaut - aus dem selben Grund. Später bauten die DDR Behörden einen neuen Turm - und wieder genau aus dem selben Grund! So monokausal kann Geschichte sein. Nach der Wende wurde der Turm umgewidmet zum Turm der Einheit.










Dort fand um 16.30 Uhr die zweite Rezitation (1x) oben der Aussichtsplattform statt.

Danach bin ich vom eigentlichen Weg abgewichen, weil mir die Strecke nach Creuzburg in der Hitze zu weit gewesen wäre und habe in Treffurt übernachtet.
Morgen werde ich es entspannt angehen und schauen, wie ich nach Creuzburg gelange, wo ich meine Wanderung wieder aufnehme.


Fundstücke:

 ausgemustert




                          


                   langes Warten auf einen Brief

Sonntag, 5. August 2018

Der 28. Tag: 5. August 2018

Burghafen - Rechtebach - Wichmannshausen - (Sontra)

Am Morgen hatte ich die Gelegenheit, meinen Eindruck von der Hotelangestellten, mit der ich am Abend gesprochen habe, zu revidieren. Beim Frühstück bin ich als erster Gast mit ihr ins Gespräch gekommen, das zuerst von der Feier am Abend zuvor handelte, genauer von logistischen Herausforderungen und Schwierigkeiten. Art. 9 GG: "Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln".
Beim Bezahlen habe ich ihr eine GG-Wanderkarte in die Hand gedrückt. Ihre Reaktion kam in Schüben und war am Ende stark und berührend. Zunächst kam es zu dem häufiger beobachteten positiven Erstaunen, dann kündigte sie an, mal in den Blog zu schauen und schließlich stellte sie mir die Frage, was ich denn beruflich mache. ("Wenn ich Sie fragen darf!") Dass meine GG-Wanderung nicht als berufliche Tätigkeit klassifiziert wird, wundert mich nicht - obwohl es eine ist! Davon abgesehen ist es für mich gar nicht so leicht, darauf eine kurze Antwort zu geben. Ich habe ein paar meiner Berufe aufgezählt: Künstler, Sprecher, Autor, Philosoph. Darauf sagte meine Gesprächspartnerin: "Sie müssen ein sehr zufriedener Mensch sein." Dabei legte sie eine Hand auf ihr Herz. Das fand ich sehr berührend. Art. 2: "Jede und jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung ihrer und seiner Persönlichkeit".
Die Wanderung war heute in Sachen Grundgesetz ereignisarm. Es gab ein paar ziemlich beeindruckende und schweißtreibende Anstiege und einige einsame Wege durch ausgedehnte und sehr schöne Wälder. Außerhalb der Ortschaften ist mir dabei kein einziger Mensch begegnet (an Tieren nur zwei Rehe). Das hat ein starkes Gefühl von naturverbundener Einsamkeit in mir hervorgerufen, ein Gefühl, das nicht in all seinen Aspekten angenehm ist und das für mich mit dem zu tun hat, was Heidegger das In-der-Welt-sein nennt. Wenn man stundenlang alleine durch den Wald geht, wird es schwierig, sich als der Welt gegenüberstehend zu betrachten. Vielmehr wird man zu einem (relativ unbedeutenden) Teil des Landschaftsgeschehens, ganz unabhängig davon, ob mir das recht ist oder nicht. Ich werde eingebunden. Hier gibt es einen Hauch von Parallele zum GG. Eine Erfahrung meiner bisherigen Wanderung besteht darin, dass ich an vielen Stellen erkenne, wie sehr unsere Lebenswelt von den Vorgaben des Grundgesetzes und besonders der Grundrechte geprägt ist. Das ist, anders als in der oben beschriebenen Naturerfahrung, zwar kein Gefühl, sondern eher eine Schlussfolgerung. Die Frage ist, ob es zu einem Gefühl werden könnte, in dem es aus der Sphäre der Erkenntnis in die der Intuition absinkt.



Bis Wichmannshausen hat sich kein Platz für eine Rezitation aufgedrängt und ich hatte mich innerlich schon darauf eingestellt, mich einfach irgendwohin zu platzieren. Doch dann hingen an vielen Häusern der Hauptstraße große Plakate und Leinwände, auf denen dagegen protestiert wird, dass die Anwohner für die Straßenerneuerung anscheinend kräftig zur Kasse gebeten werden. Um sich zu wehren, haben die Leute eine Bürgerinitiative gegründet. Art. 9 GG: "Alle Deutschen haben das Recht, Vereine und Gesellschaften zu bilden." Und Art. 3 GG: "Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich." Außerdem Art. 17 GG: "Jedermann hat das Recht, sich einzeln oder in Gemeinschaft mit anderen schriftlich mit Bitten und Beschwerden an die zuständigen Stellen und an die Volksvertretung zu wenden."



Das ist also ein gutes Beispiel für eine politische Aktivität von Bürgern, die durch den Rahmen, den das GG aufspannt, ermöglicht wird.
Ich habe dort eine Rezitation gemacht. Stattgefunden hat sie um 14.30 Uhr (2x) in einem Bushäuschen (wegen des Schattens!) an der Hauptstraße.













Danach bin ich in das Heimatmuseum des Ortes gegangen. Ich hatte davon in meinem kleinen Reiseführer zum Barbarossaweg (auf dem ich mich noch immer befinde) gelesen und erfahren, dass ich genau an dem Tag und zu der Stunde in Wichmannshausen weilte, zu dem das Museum für zwei Stunden geöffnet hat. Ich traf auf eine kleine Gruppe von Leuten, die dabei waren, die Reste einer Feier vom Abend davor zu entsorgen. Prompt wurde mir ein Stück Kuchen angeboten, das ich dankend annahm. Die Gruppe gehörte zum Förderverein des Museums, dessen Mitglieder einen größeren Saal in dem alten Gebäudekomplex für Veranstaltungen nutzen dürfen. Einer von ihnen führte mich dann durchs Museum, dessen Hauptattraktion für mich das Uhrwerk einer alten Kirchturmsuhr darstellte. Ein sehr komplexes Gebilde aus Zahnrädern, Seilen und Gewichten, das offenbar noch immer sehr genau funktioniert.
Ein Raum des Museums ist mit den Habseligkeiten einer Frau des späten 18. Jahrhunderts bestückt. Diese Frau hatte in einem Testament genau aufgelistet, was sie besaß. Das Testament wurde vom Pfarer des Ortes geschrieben, weil die Frau Analphabetin war. Das Original hängt im Museum. Für ihre Zeit war sie relativ wohlhabend, auf uns heutige wirkt ihr Hab und Gut dagegen sehr ärmlich - ein Blick in die für uns kaum noch nachvollziehbaren Zeiten vor der Überflussgesellschaft. Das GG bleibt in dieser Hinsicht neutral, Art. 14 GG: "Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet".

Wichmannshausen besitzt weder Hotel noch Gasthof und so bin ich ca. 5 km südlich in Sontra gelandet. Das alte Hotel ist genau nach meinem Geschmack, alte Zimmer, die noch groß genug sind, um darin zu atmen, Möbel und Tapeten scheinen noch aus den 60ern oder 70ern des letzten Jahrhunderts zu stammen und wirken stilvoller als das meiste, das man in sogenannten Superior-Hotels antrifft.
Der Hotelier hat mich in Wichmannshausen abgeholt, noch mit dem Koch-Hemd bekleidet.
Außer mir wohnt hier eine Gruppe von reichen Dänen, die in der Gegend auf die Jagd gehen. Was sagt das GG dazu?














Fundstücke:

Baustellenfahrzeug





Warme Geweihe






Samstag, 4. August 2018

Der 27. Tag: 4. August 2018

Spangenberg - Reichenbach - Waldkappel - (Burghofen)

Um kurz nach acht bin ich von der Burg Spangenberg los gegangen. Ich habe noch überlegt, ob ich den direkten Weg nach Waldkappel nehmen soll, der entscheidend kürzer ist als die Route des WDE. Aber ich bin dann doch die längere Strecke über Reichenbach gelaufen, weil ich die alte Klosterkirche sehen wollte. Richtige Entscheidung!
Die Luft war beim Start meiner Wanderung noch einigermaßen frisch und der Tag wurde zwar wieder heiß und schwül, aber es gab oft eine angenehme Schleierbewölkung, durch die die Sonne nicht ganz ungefiltert auf die Erde - und auf mich - nieder brannte.
Die Klosterkirche in Reichenbach stammt aus dem 9. Jahrhundert; schon im 8. Jahrhundert soll es einen Vorgängerbau aus Holz gegeben haben. Zunächst gehörte die Kirche zu einem Frauenkloster, das aber nach einigen Jahrzehnten aufgegeben wurde, weil das Leben dort zu hart und gefährlich war.
Anscheinend wurde die Kirche danach einige Zeit nicht genutzt, bevor sie um das Jahr 1207 an den Deutschen Orden als Schenkung übergeben wurde. Damit war Reichenbach die erste Niederlassung des Deutschen Ordens auf deutschem Boden.
Dieser Orden wurde im Zuge des dritten Kreuzzuges Ende des 12. Jahrhunderts gegründet, mit der Aufgabe, sich um die deutschsprachigen Kreuzfahrer im Heiligen Land zu kümmern. Schnell wurde daraus eine militärisch und politisch wichtige Macht in Europa, besonders im Osten, wo der Orden im heutigen Litauen sogar einen eigenen Staat mit Staatsterritorium beherrschte.
Die Verbindung dieser Geschichte zum GG ist eher indirekt. Zwar garantieren die Grundrechte des GG die Religions- und Glaubensfreiheit des Einzelnen, doch zu den Geltungsbedingungen des GG gehört es, dass sich Religionen und Kirchen aus der politischen Verfassung des Staates heraushalten. Der Wahrheitsanspruch, den gerade die monotheistischen Religionen meist vor sich hertragen, steht im Widerspruch zum Grundrecht der Glaubensfreiheit, das übrigens auch das Recht impliziert, an nichts zu glauben. Zu den Grundbedingungen für die Entstehung des GG und ähnlicher Verfassungen gehörte es, dass Institutionen wie der Deutsche Orden ihre politische Macht verlieren.
Das alles schien mir Grund genug, an der Kirche eine Rezitation (1x) zu machen, die um 12.20 Uhr stattfand. Den Platz fürs Rezitieren habe ich weniger nach architektonischen Kriterien gesucht als vielmehr an der Frage orientiert: Wo gibt es Schatten?

Vor der Rezitation bin ich in die Kirche hinein und traf dort auf einen Mann, der sich als Mitglied der dortigen Pfarrgemeinde um die Kirche kümmert und darum, dass die Pilger, die auf dem Jakobs- und Elisabethweg dort vorbeikommen, auch einen Schluck Wasser finden, um sich zu erfrischen. Das ist eine sehr wichtige und dankenswerte Aufgabe, besonders in diesem Sommer und besonders in einem Ort wie Reichenbach, wo es weder eine Gaststätte noch eine Einkaufsmöglichkeit gibt, wenn man von einer Metzgerei absieht, in der ich mir übrigens später ein Stück Fleischwurst als Lunchpaket besorgt habe.
Der Mann hat mir angeboten, meine beiden Wasserflaschen bei ihm zu Hause aufzufüllen. Dabei sind wir über den Deutschen Orden ins Gespräch gekommen und ich habe ihm erzählt, was ich hier mache. Ähnlich wie die junge Frau gestern fand er spontan, dass diese Wanderung jedenfalls "mal was anderes" sei. Auf die Idee, mir bei der Rezitation zuzuhören, ist auch er nicht gekommen. Meine Vermutung für das aufblitzende echte Interesse, aus dem aber erstmal nichts folgt, geht dahin, dass die GG-Wanderung für viele Menschen zu ungewöhnlich ist, um der ersten Reaktion direkt eine zweite situationsadäquate folgen zu lassen. Auf den Punkt werde ich in den nächsten Tagen noch öfter eingehen.

Von Reichenbach bin ich gemächlich und im Permaschwitzmodus über einen Höhenzug, auf dem offenbar ein Sturm die Bäume ziemlich zerzaust hat, nach Waldkappel gewandert. Dort gibt es keine Übernachtungsmöglichkeit und ich musste irgendwie noch fünf Kilometer weiter nach Burghofen, ein Ort, der nicht auf dem WDE liegt. Deshalb habe ich im Hotel angerufen und darum gebeten, abgeholt zu werden. Laufen war bei der Hitze nicht mehr drin. Das Hotel hatte niemanden, den sie zu mir schicken konnten, also habe ich einen Taxidienst angerufen. Die Abholung dauerte eine Weile, die ich in der ortsansässigen Eisdiele verbracht habe. Dann kam ein Auto mit der Aufschrift "Krankentransport" vorgefahren (so schlimm war es eigentich noch gar nicht....). Der ältere Chauffeur war ganz nett aber nachdem er mich gefragt hatte, wohin ich unterwegs bin, ist es mir nicht gelungen, ihm eine Antwort zu geben. Schon der erste Satz wurde von ihm unterbrochen, weil ihm etwas einfiel, das er mir sagen wollte. Danach kam er auf die erste Frage nicht mehr zurück und wunderte sich nur, dass ich gerne alleine durch die Gegend wandere.
So ähnlich ist es mir dann im Hotel mit einer ebenfalls sehr netten Angestellten gegangen, die allerdings auch viel mit einer großen Feier im Haus zu tun hatte.
Es gibt immer wieder neue Variationen der Hindernisse, meine GG-Wanderung zu "kommunizieren" wie es neudeutsch so unschön heißt.

Fundstücke

                           unerwartete Begegnung

Milch und Schindeln


Freitag, 3. August 2018

Der 26. Tag: 3. August 2018

(Köln) - Melsungen - Spangenberg

Es ist heiß, sehr heiß, eigentlich viel zu heiß zum Wandern. Aber ich bin heute morgen trotzdem los, um von Melsungen aus in Sachen Grundgesetz weiter zu gehen. Die Fahrt dorthin dauerte wieder einmal länger als auf dem Fahrplan vorgesehen, aber das fällt noch nicht unter die Verletzung des Grundrechts auf Freizügigkeit in Art. 11.
Der Bahnhof in Melsungen hat vor einigen Jahren in einem Wettbewerb den Preis für den schönsten Bahnhof Europas gewonnen. Vermutlich ging es dabei eher um das Bahnhofskonzept als um das eher unscheinbare Gebäude. Im Bahnhof sind einige bürgernahe Institutionen untergebracht, u.a. eine Musikschule. Auch wenn sich daraus keine direkte Verbindung zum GG ziehen lässt, sind solche Orte und Zentren für demokratische Gemeinwesen von einiger Bedeutung. Die These hinter dieser Behauptung wäre: Demokratie braucht öffentliche Treffpunkte. Dass virtuelle Orte in den sozialen Medien ohne weiteres demokratieförderlich sind, ist im Moment ja eher zu bezweifeln.

Ich habe vor dem Bahnhof meine heutige Rezitation gemacht, und zwar um 14.30 Uhr. Die Grundrechte wurden von mir zweimal vorgetragen.
Einige Leute, die währenddessen vorbei gingen, wagten einen Blick auf mein Infoplakat. Ein ca. 16jähriges Mädchen ging erst mit fragendem Blick an mir vorbei und kam kurz danach zurück und fragte mich,was ich da mache. Ich habe meine Rezitation unterbrochen, mit ihr kurz gesprochen und ihr eine Karte mit dem Blog gegeben. Zugehört hat sie mir danach nicht....
Jedenfalls bin ich relativ frohgemut losgewandert. Allerdings sehr langsam.

Nach ungefähr vier Stunden bin ich in Spangenberg gelandet.
Das Bemerkenswerteste, das ich im Internet über den Ort erfahren habe, ist, dass ihm vor ein paar Jahren der Status des Luftkurortes aberkannt (!) wurde. Mich würde interessieren, welche Bedingungen man erfüllen muss, um so etwas zu erreichen. Spangenberg ist ganz schön, mit zu vielen alten Häusern, die niemand restaurieren will oder kann.
Ich bin in der Burg aus dem 13. Jahrhundert untergekommen, bzw. im Burghotel. Ziemlich hochpreisig, muss man sagen. Das Gruseligste war bislang der völlig überdimensionierte Flachbildschirm in meinem Zimmer. Da traut sich bestimmt kein Gespenst rein!
Zu Beginn dieser Wanderung bietet es sich an, kurz über die Präambel des GG zu sprechen. Bei einer Regierungserklärung, die Kanzlerin Merkel vor einiger Zeit vor dem Bundestag abgegeben hat und in der es um die Krise der EU ging, berief sie sich auf den ersten Satz der Präambel: "...von dem Willen beseelt, als gleichberechtigtes Glied in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt zu dienen, hat sich das Deutsche Volk kraft seiner verfassungsgebenden Gewalt dieses Grundgesetz gegeben."
Die Einbindung in ein vereintes Europa war also schon 1947/48, d.h. vor der Aussöhnung mit Frankreich, Richtschnur für die politische Orientierung eines "neuen" deutschen Staates. Noch ein Grund mehr, dass ich mit der Europaflagge auf dem Rucksack durch die Gegend wandere.

Montag, 30. Juli 2018

Es geht weiter: am 3. August

Wenn die inneren und äußeren Bedingungen es erlauben, geht es am Freitag, 3. August weiter mit der Grundgesetzwanderung. Ich plane, um ca. 14h in Melsungen am Bahnhof die erste Rezitation zu machen (und hoffe, die deutsche Bahn unterstützt das Vorhaben....). Danach wandere ich in Richtung Spangenberg, wo ich wahrscheinlich die erste Übernachtung einlegen werde.
Dann führt mich der Weg über Waldkappel und Röhrda weiter durch Hessen und langsam in Richtung Thüringen und Rennsteig.
Genauere Positionsberichte gebe ich gerne sozusagen vor Ort per Handy unter 0151-2243 1293.
Außerdem werde ich wie immer auch während der Wanderung die erste kurze Version der Blogeinträge schreiben, die am Ende der Etappe um weitere Überlegungen und Bilder ergänzt werden.

Über Mitlesen, Mitwandern und Mitreden freue ich mich durchgehend!