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Sonntag, 5. August 2018

Der 28. Tag: 5. August 2018

Burghafen - Rechtebach - Wichmannshausen - (Sontra)

Am Morgen hatte ich die Gelegenheit, meinen Eindruck von der Hotelangestellten, mit der ich am Abend gesprochen habe, zu revidieren. Beim Frühstück bin ich als erster Gast mit ihr ins Gespräch gekommen, das zuerst von der Feier am Abend zuvor handelte, genauer von logistischen Herausforderungen und Schwierigkeiten. Art. 9 GG: "Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln".
Beim Bezahlen habe ich ihr eine GG-Wanderkarte in die Hand gedrückt. Ihre Reaktion kam in Schüben und war am Ende stark und berührend. Zunächst kam es zu dem häufiger beobachteten positiven Erstaunen, dann kündigte sie an, mal in den Blog zu schauen und schließlich stellte sie mir die Frage, was ich denn beruflich mache. ("Wenn ich Sie fragen darf!") Dass meine GG-Wanderung nicht als berufliche Tätigkeit klassifiziert wird, wundert mich nicht - obwohl es eine ist! Davon abgesehen ist es für mich gar nicht so leicht, darauf eine kurze Antwort zu geben. Ich habe ein paar meiner Berufe aufgezählt: Künstler, Sprecher, Autor, Philosoph. Darauf sagte meine Gesprächspartnerin: "Sie müssen ein sehr zufriedener Mensch sein." Dabei legte sie eine Hand auf ihr Herz. Das fand ich sehr berührend. Art. 2: "Jede und jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung ihrer und seiner Persönlichkeit".
Die Wanderung war heute in Sachen Grundgesetz ereignisarm. Es gab ein paar ziemlich beeindruckende und schweißtreibende Anstiege und einige einsame Wege durch ausgedehnte und sehr schöne Wälder. Außerhalb der Ortschaften ist mir dabei kein einziger Mensch begegnet (an Tieren nur zwei Rehe). Das hat ein starkes Gefühl von naturverbundener Einsamkeit in mir hervorgerufen, ein Gefühl, das nicht in all seinen Aspekten angenehm ist und das für mich mit dem zu tun hat, was Heidegger das In-der-Welt-sein nennt. Wenn man stundenlang alleine durch den Wald geht, wird es schwierig, sich als der Welt gegenüberstehend zu betrachten. Vielmehr wird man zu einem (relativ unbedeutenden) Teil des Landschaftsgeschehens, ganz unabhängig davon, ob mir das recht ist oder nicht. Ich werde eingebunden. Hier gibt es einen Hauch von Parallele zum GG. Eine Erfahrung meiner bisherigen Wanderung besteht darin, dass ich an vielen Stellen erkenne, wie sehr unsere Lebenswelt von den Vorgaben des Grundgesetzes und besonders der Grundrechte geprägt ist. Das ist, anders als in der oben beschriebenen Naturerfahrung, zwar kein Gefühl, sondern eher eine Schlussfolgerung. Die Frage ist, ob es zu einem Gefühl werden könnte, in dem es aus der Sphäre der Erkenntnis in die der Intuition absinkt.



Bis Wichmannshausen hat sich kein Platz für eine Rezitation aufgedrängt und ich hatte mich innerlich schon darauf eingestellt, mich einfach irgendwohin zu platzieren. Doch dann hingen an vielen Häusern der Hauptstraße große Plakate und Leinwände, auf denen dagegen protestiert wird, dass die Anwohner für die Straßenerneuerung anscheinend kräftig zur Kasse gebeten werden. Um sich zu wehren, haben die Leute eine Bürgerinitiative gegründet. Art. 9 GG: "Alle Deutschen haben das Recht, Vereine und Gesellschaften zu bilden." Und Art. 3 GG: "Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich." Außerdem Art. 17 GG: "Jedermann hat das Recht, sich einzeln oder in Gemeinschaft mit anderen schriftlich mit Bitten und Beschwerden an die zuständigen Stellen und an die Volksvertretung zu wenden."



Das ist also ein gutes Beispiel für eine politische Aktivität von Bürgern, die durch den Rahmen, den das GG aufspannt, ermöglicht wird.
Ich habe dort eine Rezitation gemacht. Stattgefunden hat sie um 14.30 Uhr (2x) in einem Bushäuschen (wegen des Schattens!) an der Hauptstraße.













Danach bin ich in das Heimatmuseum des Ortes gegangen. Ich hatte davon in meinem kleinen Reiseführer zum Barbarossaweg (auf dem ich mich noch immer befinde) gelesen und erfahren, dass ich genau an dem Tag und zu der Stunde in Wichmannshausen weilte, zu dem das Museum für zwei Stunden geöffnet hat. Ich traf auf eine kleine Gruppe von Leuten, die dabei waren, die Reste einer Feier vom Abend davor zu entsorgen. Prompt wurde mir ein Stück Kuchen angeboten, das ich dankend annahm. Die Gruppe gehörte zum Förderverein des Museums, dessen Mitglieder einen größeren Saal in dem alten Gebäudekomplex für Veranstaltungen nutzen dürfen. Einer von ihnen führte mich dann durchs Museum, dessen Hauptattraktion für mich das Uhrwerk einer alten Kirchturmsuhr darstellte. Ein sehr komplexes Gebilde aus Zahnrädern, Seilen und Gewichten, das offenbar noch immer sehr genau funktioniert.
Ein Raum des Museums ist mit den Habseligkeiten einer Frau des späten 18. Jahrhunderts bestückt. Diese Frau hatte in einem Testament genau aufgelistet, was sie besaß. Das Testament wurde vom Pfarer des Ortes geschrieben, weil die Frau Analphabetin war. Das Original hängt im Museum. Für ihre Zeit war sie relativ wohlhabend, auf uns heutige wirkt ihr Hab und Gut dagegen sehr ärmlich - ein Blick in die für uns kaum noch nachvollziehbaren Zeiten vor der Überflussgesellschaft. Das GG bleibt in dieser Hinsicht neutral, Art. 14 GG: "Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet".

Wichmannshausen besitzt weder Hotel noch Gasthof und so bin ich ca. 5 km südlich in Sontra gelandet. Das alte Hotel ist genau nach meinem Geschmack, alte Zimmer, die noch groß genug sind, um darin zu atmen, Möbel und Tapeten scheinen noch aus den 60ern oder 70ern des letzten Jahrhunderts zu stammen und wirken stilvoller als das meiste, das man in sogenannten Superior-Hotels antrifft.
Der Hotelier hat mich in Wichmannshausen abgeholt, noch mit dem Koch-Hemd bekleidet.
Außer mir wohnt hier eine Gruppe von reichen Dänen, die in der Gegend auf die Jagd gehen. Was sagt das GG dazu?














Fundstücke:

Baustellenfahrzeug





Warme Geweihe






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