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Montag, 13. August 2018

Der 36. Tag: 13. August 2018

Neuhaus am Rennweg - Kleintettau - Steinbach am Wald

Nach dem gestrigen Marathon (buchstäblich waren es ein paar Kilometer weniger, gefühlt nicht!) habe ich mir am Morgen etwas mehr Zeit gelassen als üblich und entspannt gefrühstückt. Dann habe ich mich auf die Suche nach einem geeigneten Ort für eine Rezitation in Neuhaus gemacht, der gar nicht so einfach zu finden war. Es gibt keinen zentralen Marktplatz oder so. Ich habe mich für eine Stelle vor der örtlichen Tourist Info entschieden und dort fand
die erste Rezitation (2x) um 9.30 Uhr statt.


Neugierde habe ich bei den Menschen, die währenddessen an mir vorbei liefen, offenbar keine geweckt.


Der Rennsteig macht montags offenbar Ruhetag. An der ganzen Strecke bis Steinbach, wo ich die Nacht verbringe, gab es keinen einzigen Gasthof und keine Baude, wie die Hütten hier genannt werden, bei der ich etwas zu essen oder zu trinken bekommen hätte. Fündig wurde ich in Kleintettau, einem Ort, der im bayerischen Teil, etwas ab vom Rennsteig liegt. Nach Gründung der beiden deutschen Staaten gehörten kurioserweise die drei nördlichst gelegenen Häuser des Dorfes zum Territorium der DDR, aber die Stacheldrahtgrenze verlief wohl weiter hinten. So konnten die Bewohner ins Dorf und wieder zurück. Erst 1976 wurden die Häuser Teil der Bundesrepublik, die mit der DDR einen Landtausch aushandelte.
Ich muss zugeben, sehr erstaunt gewesen zu sein, schon heute wieder an die innerdeutsche Grenze zu kommen. Das hatte ich nicht erwartet. Ich will die GG-Wanderung ja nicht zu einem Gedenklauf für die deutsche Geschichte des 20. Jahrhunderts werden lassen und bin deswegen mittlerweile sehr zurückhaltend mit Rezitationen an historisch auffälligen Orten.

Doch die ehemalige Grenze an der Abzweigung zu dem bayerischen Dorf Kleintettau hat mich inspiriert, eine Rezitation zu machen - allerdings nur eine sozusagen halboffizielle. Ich habe nämlich wegen des Regens (!) die Infoplakate nicht ausgerollt. Es ist auch niemand vorbei gekommen...
Die Rezitation (1x) fand um 15.15 Uhr statt.




Während des Wanderns dachte ich heute, es wäre an der Zeit, mich neuerlich darauf zu besinnen, was ich hier eigentlich mache. Ich habe schon angedeutet, dass ich besonders auf dem Rennsteig nicht richtig in Kontakt mit Welt und Leuten komme. Ich spreche damit natürlich nur von mir und nicht von der Gegend oder gar von Thüringen. Doch die Irritationen, die ich spüre, machen es notwendig, nochmal zu rekapitulieren, was bei der Wanderperformance meine (selbst gestellte) Aufgabe ist und was nicht.

Ich will die Performance-Elemente Wandern, Rezitation, Verbindung mit der äußeren Situation (Welt, Menschen) und mit der inneren Situation (Erinnerungen, Gefühle, Stimmungen, Fragen etc.) so auf mich wirken lassen, dass dadurch Anregungen entstehen für die Frage nach meiner Beziehung zu den Grundrechten des GG und den stattfindenden Veränderungen in dieser Beziehung im Laufe der GG-Wanderung.
Historische Orte sind dabei eine wichtige Komponente, aber meine Aufgabe ist es nicht, das GG an diese Orte zu bringen, weil sie es irgendwie nötig hätten. Zwar habe ich das Gefühl, mit den Rezitationen eine Spur zu legen, aber auch nicht mehr als eine Spur.

Ein Beispiel von heute: Ein paar Kilometer hinter Neuhaus steht eine Gedenkstätte des Wintersportverbandes Thüringen. Das ist in meinen Augen eine ziemlich monströse Angelegenheit, die nach dem 1. Weltkrieg aufgetürmt wurde und den "heldenhaften" Sportlerkollegen gewidmet ist, die in dem Krieg ums Leben kamen.
Es gab in mir den Impuls, dem Geist, der aus diesem Denkmal spricht, mit einer Rezitation etwas entgegenzusetzen. Doch eine solche Rezitation wäre viel zu schwach gewesen, um den Steinen, die dort seit fast hundert Jahren stehen, Paroli zu bieten. Und das ist auch nicht meine Aufgabe. Allerdings kann ich diese Gedenkstätte nutzen, um mein Verhältnis zu den Grundrechten des GG weiter zu klären und zu vertiefen - und darüber hier im Blog zu schreiben.







 Auf den beiden steinernen Bänken links und rechts neben dem Obelisken sind zwei Sätze in Stein gehauen. Der eine heißt: "Wie sie starben, so wollen wir leben". Aus dem Geist des GG heraus muss man da rufen: Nein! Wir wollen ganz anders leben. Friedlich und gerade nicht mit dem Gefühl, im Krieg zu sein. Wir wollen mit den anderen Staaten gemeinsam eine friedliche Weltordnung anstreben, in der die Würde jedes Menschen gewahrt ist.

Der zweite Satz lautet: "Nichts ist zu teuer für das Vaterland". Und wieder: Nein, das stimmt nicht! Vieles ist zu teuer für das ominöse Vaterland und darf auf keinem Fall für diese Idee geopfert werden. Einiges davon ist in den ersten fünf Artikeln des GG formuliert. Das Vaterland ist eben kein Wert an sich, anders als die Menschenwürde, die Freiheit und das Leben jeder Person.
Solche Sätze würde heute niemand mehr auf eine Gedenkstätte schreiben, obwohl es wieder Leute gibt, die glauben, das Vaterland sei mehr als ein Begriff. Doch das ist ein Irrtum, gewissermaßen ein Denkfehler. Was es sein kann, ist eine Projektionsfläche für Wünsche und Sehnsüchte, doch die darauf erscheinenden Projektionen sind immer illusionär.

Bei meiner wandernden Selbstbesinnung habe ich mich auch gefragt, wieso mir so wenig spontan offene Reaktionen auf meine Rezitationen begegnen (obwohl es auch die gibt!). Ich vermute im Moment, dass ich durch die intensive Beschäftigung mit den 20 Artikeln des GG ein wenig das Gefühl dafür verloren habe, wie ungewöhnlich meine Aktion tatsächlich ist. Nicht originell oder besonders, sondern einfach sehr weit außerhalb des gewohnten. Den meisten Leuten muss es einfach schwer fallen, konstruktiv auf das zu reagieren, was ich ihnen anbiete.


Nach der zweiten Rezitation bin ich noch gut zweieinhalb Stunden weiter gewandert und sitze jetzt in Steinbach am Wald, das in Bayern liegt, in einem sehr großen Pensionszimmer mit drei Betten, von denen ich mir gleich eines aussuchen kann.

Fundstück:


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